Gzuz & Bonez MC: »Das Leben fängt jetzt an, richtig Spaß zu machen« // Feature

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Dienstagnachmittag in Berlin-Friedrichshain. Gzuz packt das Reisegepäck aus: ein paar goldene Grillz und eine Packung Haarwachs. Das wohl minimalste Styling, das man für ein Covershoot auffahren kann, steht symbolisch für den jüngsten Erfolg der 187 Strassenbande. Mit ungeschöntem Straßensound und aufrechter Attitüde haben sich die Hamburger in Deutschraps Hackordnung vom Underdog zum besserverdienenden Liebling gemausert. Die ersten Lorbeeren regnete es vor genau zwei Jahren mit dem gemeinsamen Album der zwei Protagonisten Gzuz und Bonez MC. Dieser Tage erscheint die Fortsetzung »High & Hungrig 2« – pünktlich zum zehnten Jubiläum der Bandengründung. Eine Bestandsaufnahme.

Wer die Geschichte der 187 Strassenbande erzählen will, erzählt unweigerlich auch die Geschichte von Straßenrap in Hamburg. Jene Stadt, die mit New Yorker Soundästhetik und bildungsbürgerlichem Wortwitz einst als Mekka im deutschen Rap galt, war Mitte der Nullerjahre größtenteils verstummt. Als die große Blase platzte, hört man aus dem Norden nur noch vereinzelte Töne von Nasen wie Jan und Sam. Der raue Ton der Hauptstadt bestimmte derweil das Game. Dass sich die Hansestadt noch mal zu einem ernstzunehmenden Straßenrap-Standort entwickeln würde, war anno dazumal undenkbar. Auch ein gewisser John Lorenz Moser konnte von dieser Entwicklung noch nichts ahnen, zog er doch mit seinen Künstlereltern quer durchs Land, um am ganz anderen Ende der Republik zu landen. »Ich habe mich in Süddeutschland nie wohl gefühlt«, erzählt er rückblickend. Die Pfalz hat er als ziemlich spießige Gegend in Erinnerung. »Ich hatte damals lange Haare und habe Nirvana gehört. Da ist man dann direkt der Stinki.« Doch John stand und steht über den Dingen. Heute führt er als Bonez MC den kreativen Klüngel namens 187 Strassenbande an. Und Hamburg hat ein neues Kapitel in Sachen Rap aufgeschlagen.

Wie so viele gute Erfolgsgeschichten findet auch der Triumph der 187er seinen Anfang im Scheitern. Nach einem kurzen Intermezzo auf einem Sportinternat, wo John die Basketball- gegen eine Drogenkarriere eintauscht, kehrt er mit der Volljährigkeit zurück in seinen Geburtsort Hamburg. Im Gepäck: eine Rap-Vision. Erste Schwarz/Weiß-Videos im Hood-Look sollen den Ruf der Heimat verteidigen. »Zu der Zeit hat Berlin so auf Hamburg rumgehackt. Wir wollten die Flagge hochhalten und zeigen, dass Hamburg auch Straße ist«, erzählt Bonez. Dass der unübersehbare Hüne daraufhin auf den Straßen von St. Pauli erkannt wird, überzeugt irgendwann auch einen Typen namens Joe, sich dem Rappen zu widmen. Johns Bruder im Geiste, kennengelernt bei einem Basketballspiel um nen Zehner im Park, soll sich fortan in Hamburg als Gzuz einen Namen machen – und dank krimineller Machenschaften 2010 in den Bau wandern.

Die 187 Strassenbande bleibt zurück mit ein paar millionenfach geklickten Videos, einer Handvoll Nachwuchstalenten, gefühlten zehntausend Bombings rund um Hamburgs berüchtigtes Viertel St. Pauli – und einem mäßig erfolgreichen Label namens Toprott Muzik; jenes Imprint, das Bonez mit einem Kollegen ins Leben rief, um seine Version von norddeutschem Rap an den Mann zu bringen. »Wir gründeten direkt eine GmbH, hauten beide Zwölfeinhalbtausend rein – und haben das ganze Ding total runtergewirtschaftet.« Die Ambitionen waren groß. »Doch dann ging Gzuz in den Knast, Hasuna auch, der damals bei 187 war, und Mosh blieb in Berlin. Am Ende waren nur noch ich und AchtVier da. Der hat als Einziger releast, ich habe mich um alles andere gekümmert – in teuren Leihwagen rumfahren zum Beispiel.«

 
Immerhin beweist das 187-Mastermind damals bereits ein gutes Händchen in Sachen Social Media, indem es den alltäglichen Schabernack, den die Bande auf den Straßen von Hamburg veranstaltet, in Videoblogs festhält. Dabei gibt sich die Strassenbande die ehrliche Blöße: vom Einkauf gefälschter Lacoste-Klamotten auf dem Flohmarkt bis zu gescheiterten Videodrehmomenten, bei denen Gangstervisagen in schallendes Gelächter aufgehen – 187-Videoblogs sind das Deutschrap-Äquivalent zu den Outtakes aus früheren Jackie-Chan-Filmen und halten Sachen fest, die anderen Rappern die Schamesröte in Gesicht treiben. »Wir sind ja auch einfach nur Menschen wie alle anderen. Warum sollte ich das nicht so bodenständig halten wie möglich?«, lautet Bonez’ Devise. Und die erschließt den 187ern eine Fan-Nähe, wie sie in Deutschland kaum ein Zweiter vorweisen kann. Darüber hinaus wandelt sich Gzuz’ Haftstrafe ironischerweise zu einer tatsächlichen Perspektive, trägt sie doch entscheidend zur Bekanntheit der Bande bei. Als Joe entlassen wird, gehen die Jungs auf Tour – und Joe stellt nach anfänglichen Startschwierigkeiten (»Ich war teilweise einfach viel zu besoffen.«) fest, dass Rap für ihn fortan ein richtiger Job sein kann, eine positive Sozialprognose. Also muss ein Album her. Zusammen mit Produzent Jambeatz stampfen Herz (Gzuz) und Hirn (Bonez) der Strassenbande »High & Hungrig« aus dem Boden: der erste Top-Ten-Erfolg im Hause 187, praktisch ohne Marketingspesen. Zwar erscheint »High & Hungrig« zum ersten Mal mit Hilfe professioneller Vertriebsstrukturen, jedoch mit unverändert erfolgversprechendem Konzept: Auch wenn der Traum vom großen Geld textlich an erster Stelle steht, erzählt man vom fehlenden Kleingeld für Döner und Bustickets. Teuren Studios zieht man Jambeatz’ Dach­boden in einem öden Vorort von Hamburg vor.

Und der Erfolg soll nicht abreißen. Der dritte Sampler der 187er schafft es ebenfalls unter die zehn bestverkauften Alben des Landes, genauso wie »Obststand«, die LP, mit der man die Newcomer LX & Maxwell zu Echo-Nominierten macht. Eine überraschende Wendung, bedenkt man, dass die 187 Strassenbande einige Jahre zuvor noch in ihrer Heimat belächelt wurde. »Digger, die Szene hat auf uns geschissen!«, erinnert sich Gzuz. »Jahrelang haben die gesagt: ‚Was die rappen ist wack. Ihre Bilder sind scheiße, die Jungs sind nur Asis!’« Im vergangenen Oktober stürmten hunderte von Kids dann eines Mitternachts einen Media Markt in Hamburg-Altona, in dem die 187er mit glühenden Kulis warteten, bereit, Gzuz‚ Deluxe-Boxen von »Ebbe & Flut« an den Mann zu bringen wie frischen Fang auf dem Fischmarkt. Doch auch südlich der Elbe weiß man mittlerweile Bescheid. Die vielleicht düstersten, ungeschöntesten und prolligsten 42 Minuten des Jahres 2015 tauchten in allen Deutschrapjahresbestenlisten auf, kaum ein Rapper lässt sich im Interview nicht zu Props an die Bande hinreißen. Im Hause 187 freut man sich darüber. Und doch entgegnet Bonez, ganz der Geerdete: »Die Leute quatschen dir nach dem Mund. Wenn du einen Hype hast, kennen sie dich schon super lange. Und wenn du abkackst, wussten sie es alle vorher. Seit zwei Jahren haben uns die Leute auf dem Schirm. Aber wir machen trotzdem schon seit zehn Jahren Musik.«

 
Und das nach wie vor im eigenen Studio, auf ihre eigene Art und Weise – auch wenn man mittlerweile von Jams Dachboden in ein eigens eingerichtetes Studio gezogen ist, das neben ein paar Couches und einer flüchtig eingerichteten Booth nicht viel mehr als einen Fernseher und eine Herdplatte bietet, auf der man wahlweise Spaghetti Bolognese oder Bauerntopf aus der Dose anrichtet. Die Musik der Strassenbande strahlt noch immer die Aufrichtigkeit aus, für die so viele Fans sie schätzen. Nur eben unter veränderten Voraussetzungen. »Verglichen mit den Jahren davor, geht es uns gerade ganz gut«, resümiert Bonez die letzten produktiven 24 Monate, in denen gleich vier 187-Alben erschienen. »Das Leben fängt jetzt an, richtig Spaß zu machen. Ich kann meiner Tochter alles kaufen. Und selbst hatte ich nie hohe Ansprüche. Ich kaufe mir für fünfzehntausend Euro ein Auto und fühle mich, als koste der Wagen ne halbe Million. In einen Ferrari passe ich auch gar nicht rein«. Bonez lächelt.

Dass sich das aktuelle Wohlgefühl auch auf »High & Hungrig 2« widerspiegelt, ist unumgänglich; allein, weil man im Hause 187 eine so direkte Herangehensweise ans Schaffen verfolgt. In Hamburgs Peripherie arbeitet man stets in der Gruppe – und immer nur an einem Projekt. Die Basis schaffen Bonez und Jambeatz, die gemeinsam an den Produktionen sitzen. Und wo es früher mit ein paar losen Parts der 187er weiterging, feilt Bonez heute schon während der Produktion oft an einer Hook. »Wenn man sich von vornherein beim Schreiben an der Hook orientiert, wirken die Tracks viel runder«, resümiert Gzuz aus den Aufnahmen von »High & Hungrig 2«, die noch während des Interviews und damit kurz vor Albumabgabe auf Hochtouren laufen. Zudem lege man heute »mehr Augenmerk auf die musikalische Entfaltung«. »Was wir bei diesem Teil machen, ist experimenteller«, meint Gzuz. Bonez stimmt ein: »Wir haben Bock, mehr lebensbejahende Uptempo-Musik zu machen – die trotzdem noch prollig ist.«

Man könnte meinen, die 187 Strassenbande sei zufrieden mit ihrem Platz im Spiel. »Klar, wir haben ab einem gewissen Punkt Geld bekommen«, erklärt Bonez. »Gzuz hat sich seinen Traumwagen gekauft, wir können jeden Tag auswärts essen.« Und doch: »Wir haben nie das Gefühl, ganz angekommen zu sein. An dem Tag, an dem ich mir ein neues Auto gekauft habe, dachte ich die ganze Zeit darüber nach, dass es gar nicht so gut laufen kann. Dann bin ich direkt in ein anderes Auto reingeballert. Es passiert zu viel, als dass wir uns zurücklehnen und sagen könnten: ‚Wow, wir sind Stars!’« ◘

 
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