Genetikk: »Unsere Hörer bleiben in diesem Film gefangen.«

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Das von euch beschworene Gemeinschaftsgefühl ist ein alter Wert, der in der modernen Leistungsgesellschaft offenkundig nicht mehr im Vordergrund steht. Würdet ihr euch als Menschen bezeichnen, denen grundlegende Werte dennoch extrem wichtig sind?
Karuzo: Auf jeden Fall.
Sikk: Das hört man unserer Musik auch an.
Karuzo: Auf »Achter Tag« scheinen unsere Werte deutlich stärker durch als vorher, weil wir durch das Zusammenrücken als Team gemerkt haben, wie viel diese Gemeinschaft wert ist. Der Begriff »Werte haben« steht ja auch in engem Zusammenhang mit dem Wort »wertvoll«.

Hindert euch diese Gemeinschaft daran, dass ihr euch nach Erfolg und Kritikerlob zu wichtig nehmt beziehungsweise anfangt, egoistisch zu denken?
Sikk: Wir nehmen das alles nicht so ernst. Was zählt, ist die Crew und wir und die Kunst, die wir machen, für die Menschen, die sie hören.

Heißt: Ihr als Menschen seid im großen Ganzen eigentlich egal?
Sikk: Genetikk steckt in jedem von uns, und wir stecken in Genetikk. Und wenn du Fan bist, bist auch du Genetikk.
Karuzo: Genetikk als Gesamtkonzept steht über allem. Es geht uns nicht darum, Selbstverherrlichung auf einer persönlichen Ebene zu betreiben. Wenn, dann geht es darum, dass wir Genetikk verherrlichen!

Die Bildsprache eurer Videos ist stark stilisiert. Ihr setzt gerne bestimmte Marken in Szene. Im »Dago«-Video sind es beispielsweise Raf Simons, A Bathing Ape oder Yohji Yamamoto. Ihr platziert diese Textilmarken schon sehr bewusst, oder?
Sikk: Ja, ob du Ricks [Rick Owens-Sneakers; Anm. d. Verf.] trägst oder Chucks, das spielt für uns keine Rolle. Aber das ganze kreative Spiel mit der Mode gefällt uns, und es passt zu uns. Deswegen hat die Crew auch ein eigenes Modelabel gegründet: HIKIDS – eine weitere Facette des Gesamtkunstwerks Genetikk.
Karuzo: Eigentlich sind Klamotten und Marken total cheesy. Natürlich bist du mit limitierten Nikes kein krasserer Mensch als jemand, der sich das nicht leisten kann. Aber weil insbesondere Rokey ein sehr visuell denkender Mensch ist, spielt das bei uns ganz stark mit rein.

Ihr arbeitet auf ähnliche Weise mit Mode wie das ein A$AP Rocky auch macht. Allerdings liegt bei ihm auch musikalisch und inhaltlich der Fokus auf oberflächlichen Lifestyle-Schilderungen. »Achter Tag« hingegen geht zum Teil inhaltlich stark in die Tiefe. Ich persönlich hatte das Gefühl, dass das Thema Vergänglichkeit auf dem Album in unterschiedlichen Facetten immer wieder auftaucht.
Karuzo: So habe ich das bisher noch gar nicht gesehen, aber wenn du das hörst, dann ist das sicherlich da. Am Ende des Tages wollen wir mit diesem Album zeigen, wie wir leben. Wir öffnen die Tür ein Stück weit und zeigen der Welt: Das ist Genetikk! Das sind unsere Werte, unser Kodex.

 
Dieser Kodex und der sehr präsente Einfluss japanischer Kultur verbinden euch mit einem eurer Vorbilder: dem Wu-Tang Clan. Woher kommt dieser Einfluss?
Sikk: Aus der Architektur, der Kunst und dem Purismus, der in der japanischen Kultur sehr präsent ist. Natürlich steckt dahinter dann wiederum eine konkrete innere Geisteshaltung. Die spielt, ähnlich wie bei Wu-Tang, eine große Rolle für Genetikk.

Dürfen eure Hörer denn in diesem Inneren, in das ihr sie mit eurem Album einladet, länger verweilen?
Sikk: Sie bleiben in diesem Film gefangen.
Karuzo: Das Ding ist: Es gibt eine Welt da draußen, in der keine Werte gelten. Aber für uns ist gegenseitiger Respekt und Gerechtigkeit das Wichtigste. Ich hoffe, dass unsere Fans diese Werte für sich nutzen können und es nicht auf sich alleine gestellt auf die harte Tour lernen müssen.

Die Fassade, die Genetikk mit den Masken und dem restlichen Drumherum aufbaut, ist also nichts als Schall und Rauch, weil eure Musik in Wahrheit etwas sehr Persönliches ist, richtig?
Karuzo: Genau das ist der Clou. Unsere Maskierung führt eigentlich sogar zu einer viel engeren Verbindung zwischen unseren Gedanken und unserer Musik, weil ein Gesicht im Prinzip immer von den Inhalten ablenkt. Ohne unsere Gesichter können unsere Ideen viel stärker wirken. Wenn du deine Fresse auf dem Cover zeigst, können Leute diese immer unsympathisch finden oder sich an irgendwas anderem stören. Genetikk hingegen ist ein universelles Etwas, das jeder fühlen und sein kann. Es ist genau, wie du sagst: Auf den ersten Blick bauen wir eine Mauer auf, aber eigentlich ermöglicht uns genau diese Mauer, dass wir den Leuten Inhalte in reiner, unverwässerter Form geben können.

Das dringende Bedürfnis, alles, was von euch nach außen gelangt – auch Interviews –, perfekt zu gestalten, ist nicht nur im HipHop etwas Außergewöhnliches. Warum?
Sikk: Wir machen nun mal Kunst, und das heißt, dass all das, was von uns in die Öffentlichkeit gelangt, unser künstlerisches Werk beeinflusst – auch Interviews.
Karuzo: Wir arbeiten nun mal mit doppelten Böden. Deswegen wollen wir einfach sichergehen, dass bei unseren Gesprächspartnern und bei unseren Hörern auch wirklich das ankommt, was ankommen soll. Wir haben uns unsere eigene musikalische, bildliche und Werte-bezogene Sprache gebaut, da ist es natürlich wichtig, dass die Übersetzung stets funktioniert. Wir legen weniger Wert auf das Ziel und viel mehr auf den Weg dorthin. Ankommen kann man immer, interessant ist das Wie. Viele andere Künstler sehen das anders, sie gucken immer nur auf das Ergebnis. Dabei kannst du auch reich sein und dein Geld damit gemacht haben, Waffen an Mörder zu verkaufen. Wir wollen erfolgreich sein, aber wichtiger ist uns, dass wir zu jeder Zeit voll und ganz hinter unserem Output stehen können.

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