Flo Mega: »Mir gefällt es nicht, wenn man eine Opferrolle einnimmt« // Interview

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FloMega_presse2013_10_credit_Robert Winter

Der Sternekoch in Sachen Soulfood für die Ohren meldet sich zurück. Flo Mega hat in den vergangenen Jahren die Höhen und Tiefen des Musikbusiness am eigenen Leib miterlebt. Vom vielgefeierten Newcomer, der bei Raabs BuViSoCo als Geheimtipp den zweiten Platz ab­räumen konnte, bis hin zum Burnout inklusive Aufenthalt in einer Entzugsklinik ging die Achterbahn­fahrt des gebürtigen Bremers. Wenn dieser Tage sein zweites Album »Mann über Bord« ­erscheint, zeigt sich Flo Mega rehabilitiert – als Künstler wie als Mensch.

Lass uns über deine Anfänge in der HipHop-Szene sprechen. Als Jahrgang 1979 müsstest du Anfang der 90er zum ersten Mal mit HipHop in Berührung gekommen sein.
Ja. 1994 bin ich zum ersten Mal auf ner Jam aufgetreten. Das war alles scheiße da, nur ich hab es nicht gemerkt. Ich habe nur das Publikum gesehen und habe mich selbst über die Boxen gehört, das war die Hauptsache.

HipHop in Bremen, wie war das damals?

Wir hatten die Nordseite mit FAB. Immo war schon eine krasse Erscheinung und ein unglaubliches Moderationstalent. So einen Schnack hatte ich noch gehört, der war wie ein UFO. Ich komme aus der Neustadt, bin dann aber mit 16 mehr ins Viertel [Stadtteile Ostertor und Steintor, Anm. d. Verf.] gezogen und habe die Kids dort kennengelernt. Die konnten schon damals runde, dramaturgische Raps schreiben. Die defekte Dichtung nannten die sich. Felix von den Jungs ist mittlerweile bei den Dramadigs. Später habe ich Lyrical Poetry und Mad Marc kennengelernt. Ich habe dann viel mit diesen Old-Schoolern abgehangen, habe mit denen gejammt und Beats gemacht. Ich war nie ein besonders guter Schreiber, ich hatte einfach immer nur viel Wut in mir. Ich konnte zwar gut rappen, hatte aber nichts zu sagen. Und ich war kein Bad Boy, ich musste mich immer irgendwie durchmogeln.

Wie lange hat es denn gedauert, bis du realisiert hast, dass du dich durchmogelst?
Ach, was heißt mogeln? Du machst das mit nem Haufen anderer Jungs, die allesamt an der Adoleszenz knabbern und alle eigentlich noch nichts erlebt haben. Ich habe einfach mein Ding gemacht, es war ja schließlich eine Mitmachkultur. Ich habe mich aber auch verstellt und bin Leuten hinterhergerannt, die ganz böse waren. Im Endeffekt war mir das aber alles zu kleinkariert. Es gibt bestimmte Sachen, die sind zeitlos und haben die Essenz in sich. Aber auch HipHop hat sich weiterentwickelt. Mittlerweile gibt es verschiedene Gesellschaftsgruppen im HipHop: dekadent, assig, total conscious, oder komplett freakig. Aus der Subkultur ist eben eine richtige Kultur geworden.

Bedeutet das, dass du dich noch mit den HipHop-Sachen auseinandersetzt, die heute erscheinen?
Das meiste kann ich mir echt nicht anhören, tut mir leid. Diese Theatralik und dieses Phlegmatische, das ist alles an den Haaren herbeigezogen. Wenn ich mir zum Beispiel diese »Feuer über Deutschland«-Sachen angeschaut habe, hatte ich immer das Gefühl, dass die gleich anfangen zu heulen. Das ist eklig. Das sind doch keine Männer, die sind Kinder geblieben. Ich höre mir dann lieber Sachen wie Eloquent oder die Dramadigs an, da ist Wortwitz drin. Mir gefällt es nicht, wenn man eine Opferrolle einnimmt. So nach dem Motto, ich komme aus der Scheiße und ich bleib auch in der Scheiße.

Hat sich damals, als du angefangen hast Soul zu machen, ein Kreis geschlossen? Schließlich waren Soul- und Funk-Breaks der musikalische Nährboden, auf dem HipHop wachsen konnte.
Es gab ja Sachen wie die Beastie Boys oder Jazzmatazz, die bereits viele Live-Elemente verwendet haben. Das hat uns gezeigt, dass HipHop auch live funktioniert. Wir jammten dann auch im Proberaum. Obwohl das schrecklich klang, haben wir uns dabei gut gefühlt. Ich habe damals noch auf dem Atari meine erste Soul-Nummer programmiert. Das war ein Befreiungsschlag. Dieses ganze kleinkarierte Gerappe habe ich dann hinter mir gelassen. Es lag mir sowieso nie. Beim Soul konnte ich weniger Worte und mehr Gestik verwenden und das Ergebnis mit Gesang zu einer geschmeidigen Sache formen.

Die ersten Sachen, die du damals über MPM releast hast, waren alle noch auf Englisch.
Das war aber kein gutes Englisch. Ich habe mich dabei gut gefühlt und nie darüber nachgedacht, ob das überhaupt in irgendeinen Markt passt. Ich war aber auch schizo, ich habe irgendwann auch Teddy Pendergrass gehört und war überzeugt, ich könnte genauso singen wie er. Trotzdem lasse ich mich inspirieren. Wenn ich zum Beispiel behaupten würde, dass ich nie James Brown gehört habe, würde mir das keiner glauben.

Würdest du dich denn als Soul-Nerd bezeichnen?
Überhaupt nicht. Ich finde es cool, wenn Leute Platten sammeln, aber das ist nichts für mich. Ich will die Musik nicht durchschauen, ich will mich wundern können. Auch im HipHop haben schon immer die anderen Platten gesammelt. Auch heute gehe ich zu Twit One nach Köln oder zu meinen Homie Ubeyde in Bremen und ziehe mir da geile Sachen rein. Aber archivieren muss ich das Zeug selber nicht, obwohl ich schon einiges kenne.

Hörst du dir auch kontemporäre Soul-Platten an?
Ich muss zugeben, dass ich davor Angst habe, weil mich diese Platten oft fordern. Ich bin kein guter Sänger im klassischen Sinne. Viele der aktuellen Soul-Sachen kommen aber eben von sehr guten Sängern. Ich bin ein Crooner oder Shouter, nenn es wie du willst. Sobald es davon weggeht, tue ich mich schwer. Ich kann beispielsweise nicht gerade und ruhig singen. Klar, Mayer Hawthorne oder Bilal klingen richtig gut, aber mir macht das Druck, also versuche ich die auszublenden. Da bin ich ehrlich, ich war auch oft neidisch in meinem Leben. Aber auch hier in Deutschland gibt es gute Sachen: Fetsum oder Maxim, auch wenn der keinen Soul im klassischen Sinne macht, die finde ich sehr gut!

Was hat dich inspiriert, als du du deine aktuelle Platte gemacht hast?
Ich hatte 2012 einen Zusammenbruch, habe superviel gesoffen, war in der Klinik. Da kam viel zusammen: kaum Geld mit der Tour verdient, Frau abgehauen, mich selbst kaputtgemacht. Der Klinikaufenthalt resultierte in einem Neustart – mittlerweile habe ich aber aufgehört zu trinken und bin völlig klar im Kopf. Ich wurde auch mit Psychopharmaka behandelt. Ein Teil der Texte entstand bereits vor dem Aufenthalt, ein Teil dann in der Klinik auf Tabletten. Da war ich zwar total abgestumpft, die Texte funktionierten nicht auf mehreren Ebenen. Trotzdem haben es ein paar der Sachen auf die neue Platte geschafft. Ich bin darauf viel stolzer als auf das erste Album. Die neue Platte hat mich zurück in die Spur gebracht.

Wie kam es denn zu diesem Burnout?
Ich habe 20 Jahre lang gesoffen, früher auch viel gekifft. Auf Tour habe ich immer getrunken, obwohl mir mein Körper sagte, ich solle mich ausruhen. So musste ich viele Gigs mit Kater spielen, ich habe mich körperlich und seelisch total verausgabt. Ich kam nach der Tour nach Hause und war taub. Ich fühlte nichts mehr, ließ meine Freundin links liegen und wusste nichts mit mir anzufangen. Alles endete dann in einem Wahn und der Vorstellung, ich müsste einem Rockstar-Image gerecht werden. Nach dem zweiten Platz beim Bundesvision Song Contest, der an sich auch eine sehr anstrengende Veranstaltung ist, wusste ich nicht, wo ich wirklich stehe. Die Plattenverkäufe waren mäßig, die Gigs mal total überfüllt, mal gähnend leer. In dieser Zeit haben mich viele Sachen total überfordert.

Das verarbeitest du auch auf dem Song »Hinter dem Burnout«.
Wobei ich den schon vor dem Klinikaufenthalt geschrieben habe. Da dachte ich, ich wäre am Tiefpunkt angekommen. Rückblickend merkte ich, dass in Deutschland so viele einen Burnout haben, weil hierzulande so eine Gefühlsarmut grassiert und die Leute nicht genug zusammenhalten. Diese Angst, sich über Dinge auszutauschen, die einem widerfahren sind, dieser Zwang, ein perfekter Mensch zu sein: Das ist ungesund.

Text: Jakob Paur
Foto: Robert Winter

Dieser Artikel ist erschienen in JUICE #157 (hier versandkostenfrei nachbestellen).

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