Favorite – Alternative für Deutschland // Review

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(Selfmade Records / Universal Music)

Wertung: Zweieinhalb Kronen

Grundsätzlich sollte man Favorite zu Gute halten, dass er sich 2017 nicht in Last-Man-Stan­ding-Sentimentalitäten verliert. Spätestens nach Kollegahs Weggang ist der Essener das letzte Relikt aus der Frühphase des zwischenzeitlich zum Erfolgsmodell mutierten Indielabels Selfmade. Andere wären angesichts dieses Status womöglich einer gewissen Melancholie verfallen. Gezeigt hatte sich dahingehendes Potenzial zudem bereits auf »Christoph Alex«, das vorsichtig die Rolle des Labilen hinter dem »Harlekin« ausbauen wollte, wohlwissend, dass jeder Künstler sich irgendwann ein bisschen entwickeln muss, möchte er nicht in Irrelevanz ersaufen – und genau hier beginnt das aktuelle Dilemma. Wer nämlich, gerade ange­sichts des Titels, von »Alternative für Deutschland« gesellschaftliche Beobachtungen, politische Kritik oder zumindest ein bisschen Introspektion erwartet, staunt nicht schlecht, wenn er sich plötzlich in einer Furzwitzendlosschleife wiederfindet. Die komplizierte Vergangenheit wird im »Intro« nur kurz zwecks Selbstlegitimation ­heranzitiert, danach folgt eine Aneinanderreihung von Provokationen und Absurditäten. Favorite schlitzt »Girls« auf, »die rumhur‘n«, verliebt sich in einen Jaguar, spielt Poker mit Luthifah, Shneezin und einem »2Pac Hologramm«, versetzt sich in die Rolle von Kate Middleton und furzt an anderer Stelle ihrem royalem Nachwuchs ins Gesicht. Im Vordergrund steht also die eigene Komfortzone, untermauert durch maßgeschneiderte Beats von Intimus Rizbo, die den angestammten Synthiesound nur verlassen, um Pop-Rap wie den dubios-verspäteten Sommersong »5 Grad über Hitzefrei« abzuliefern. Vermutlich sind diese Passagen ironisch gemeint, doch gerade dann wird schmerzlich klar, dass Favorite in den letzten Jahren entscheidende Entwicklungen im deutschsprachigen HipHop verpasst hat. Wer heute Klischees entlarven möchte, muss an anderen Stellen ansetzen, als es »Harlekin« oder »Anarcho« getan haben. »Alternative für Deutschland« zeigt über weite Strecken, dass Favorite sein Talent nicht verloren hat – aber anscheinend nicht mehr weiß, wie er es einsetzen soll.

Text: Sebastian Berlich

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