»Darf ich bitte auch mal zeigen, dass ich kreativ bin?« // Fat Joe im Interview

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Seit Jahren stellen europäische Journalisten Fat Joe die immer gleichen Fragen nach dem aktuellen Stand von New Yorker Rap und der Möglichkeit einer D.I.T.C.-Reunion. Joe selbst lebt schon seit Jahren in Miami und zieht Kollaborationen mit den ­Rihannas und T-Pains dieser Erde der Gesellschaft von alten Homies wie Showbiz und Lord Finesse vor. Doch inzwischen scheinen ihn auch die Fans für ­seinen Opportunismus abzustrafen: Sein neuestes Klingelton-Sammelsurium namens “J.O.S.E. 2” verkaufte gerade mal schlappe 8.800 Einheiten in der ersten Woche. JUICE-Autor Alexis Slama traf Fat Joe zu einem ungewohnt ehrlichen Gespräch über die Ausrichtung seiner Karriere.

Wie schwer ist es, weiter an den eigenen ­musikalischen Ansatz zu glauben, wenn man sich die Verkaufszahlen anschaut?
Verdammt schwer. (lacht) But you know, you keep it real with yours. Wie auch immer du das ­interpretieren willst. Man kommt darüber hinweg.

“Jealous Ones Still Envy” war ein Klassiker. War es da nicht ohnehin gefährlich, einen Nachfolger anzukündigen?
Als wir an dem Album arbeiteten, wollten wir es noch überhaupt nicht “J.O.S.E. 2” nennen. Es war nur so, dass die Songs immer größer und größer wurden, und an irgendeinem Punkt erinnerte es uns dann an das erste “J.O.S.E.”-Album, nur eben in einer zeitgemäßen Art und Weise. Die Leute haben vielleicht Hardcore-New York-Shit erwartet, aber ich bin nun mal kein eindimensionaler Rapper – ich ­mache Clubmusik, emotionale Musik, Ghetto­Musik… Ich mag keine Schubladen.

Das Album wurde ein paar mal verschoben, die Erstwochenverkäufe waren sehr ernüchternd. Was war also das Problem?
Ich hatte einfach Differenzen mit dem Label, vor allem darüber, wie man dieses Album promoten und vermarkten sollte. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich die volle Unterstützung des Labels bekam. Die Promotion für das Album betrug ziemlich genau null. Aber ich will jetzt auch nicht mit dem Finger auf andere zeigen und ihnen die Schuld zuschieben. Ich nehme auch einiges davon auf mich. Trotzdem, ernsthaft – so lange ich am Leben und gesund bin, kann ich auch einfach weitermachen und mich nicht von Rückschlägen beirren lassen.

Findest du selbst, dass du dir deine ­Integrität bewahrt hast oder bist du zum eiskalten ­Geschäftsmann geworden?
Ich will ehrlich sein: In manchen Belangen bin ich durchaus zum eiskalten Geschäftsmann geworden. Man hat diese Phasen, in denen dich zu viel Bullshit umgibt, als dass du dich noch an deinen Werten orientieren und deinen Verstand behalten könntest. Aber am Ende musst du den Weg zurück finden. Du musst einfach gutes Business machen. Wenn du nachts nicht gut schläfst, dann machst du kein gutes Business. Ich kannte viele Künstler, die ich als Freunde und Familie angesehen habe. Und mit Freunden oder Familienmitgliedern machst du keine Verträge. Aber am Ende wollten sie auch nur Geld verdienen. Und das will ich auch. Daher ist mein Ansatz jetzt: Strictly business.

Wie würdest du denn dieses Album ­beschreiben? Welche musikalische Farbe hat es?
Eine helle, sonnige Farbe. Ich wollte einfach nur gute Songs für jedermann machen. Mit “Porn Star” habe ich diesen neuen Jim Jonsin-Style drauf, dann habe ich habe auch diesen typischen Swizz Beatz-Sound und den klassischen New York-Flavour in der Mitte des Spektrums. Ich denke, es ist ziemlich… komplett.

Worum geht es in der ersten Single “One”?
Der Song handelt von einer Beziehung zwischen einem Typen und seinem Mädchen. Sie lieben sich, und es könnte eine tolle Beziehung sein, aber leider stehen ihre Eltern im Weg, weil sie dem Typen die ganze Zeit vorhalten, dass er nicht gut genug für ihre Tochter ist, dass er nichts hat und aus ihm nie etwas werden wird. Aber die beiden schaffen es am Ende, diese Schwierigkeiten zu überwinden.

Ist dir das passiert?
Mir? Hölle, ja. Das ist doch jedem schon passiert. Ich wette, dir auch.

Woher hast du sonst deine Inspiration bezogen?
Ich hing mit coolen Menschen herum und fühlte mich einfach gut. Ich denke, ich bin lyrisch besser ­geworden, mein Flow ist stärker, meine Inhalte sind tiefer – ich habe das Selbstbewusstsein, neue Dinge auszuprobieren und mich in musikalische Bereiche vorzuwagen, wo ich vorher noch nie war.

Trotzdem ist es anhand der Reaktionen ­offensichtlich, dass die Hörer einen anderen Sound erwartet haben.
Mann, ich mache Musik. Keine Ahnung, was die Leute erwarten. Es gibt doch ohnehin schon zu viele Nachahmer und nicht genug Innovatoren. Ich meine, was wollen die Leute denn? Dass ich zwölf Sample-Beats mit gecutteten Hooks auswähle und drüber rappe? Come on! Das mache ich im Schlaf! Das ist doch das Einfachste für mich. Und dann würden die Leute sagen: “Wow, Joey spittet wieder!” Aber ich will mich weiterentwickeln. Das, was ich jetzt mache, ist technisch anspruchsvoll. Ich will Alben machen, keine Mixtapes.

Trotzdem war es waghalsig, so viel Auto-Tune auf dem Album zu verwenden.
Es ist verrückt, alle haben Auto-Tune geliebt, dann kommt Jay-Z mit seinem Song und plötzlich ist es ein Problem, wenn du einen Song mit T-Pain machst. Hat denn niemand mehr eine eigene Meinung? Ich mache Musik, und so lange die Musik gut klingt, bin ich stolz drauf. Hast du “Hey Joe” gesehen?

Klar. Ein sehr klassischer New York-Track.
Das ist eines der härtesten Videos, die ich je gemacht habe! Also versuch mir doch nicht zu erzählen, dass das Album nicht nach New York klingt. Überhaupt denken alle, New Yorker Rap dürfe nur aus Samples bestehen und müsse möglichst grimey klingen – verdammt, wir haben doch nicht mehr 1996. Ich für ­meinen Teil, ich lebe 2009.

Es scheint dich extrem zu stören, dass man dich auf diesen klassischen New Yorker D.I.T.C.-Sound festlegen will.
Ja, extrem! Es ist frustrierend. Das ist der Struggle meiner Karriere. Weißt du, Kanye kann in einem Moment was von “Crack Music” rappen, im nächsten Moment macht er “Jesus Walks” oder einen schönen Song mit Rihanna. Aber wenn Fat Joe mal versucht, einen guten Song zu schreiben, dann heißt es: “Oh, er ist weich geworden. Wir wollen, dass Fat Joe in seinen Texten wieder mehr Leute ermordet.” Darf ich bitte auch mal zeigen, dass ich kreativ bin? Jesus Christus! (lacht)

In unserem letzten Interview hast du trotzdem erzählt, dass du wieder mehr mit deinen alten Homies von D.I.T.C. arbeiten willst. Was ist daraus geworden?
Ich sehe sie die ganze Zeit – ich hänge mit A.G. herum, mit Diamond… Ich bin die letzte Person, die du nach einer D.I.T.C.-Reunion fragen solltest. Ich bin mehr als bereit. Wenn sie bereit sind, bin ich da. Es liegt wirklich bei ihnen. Ich würde sehr gerne ein neues D.I.T.C.-Album machen.

Kürzlich hat dich Liza Rios, die Ehefrau von Big Pun, angegriffen, weil du sie nach Puns Tod im Stich gelassen haben sollst.
Das hat mir das Herz gebrochen. Denn natürlich habe ich mich um sie gekümmert, nachdem Pun gestorben war. Das war keine Frage für mich, ich musste das tun. Es war so: Ich gab ihr einen Haufen Geld, und sie hat es aus dem Fenster geworfen. Okay, cool. Man muss ja nicht auf Anhieb wissen, wie man mit solchen Summen von Geld umgeht, also hatte ich Verständnis dafür. Also gab ich ihr nochmal Geld, diesmal eine noch größere Summe. Und sie hat es wieder verbrannt. Ich meine, muss man nicht aus seinen Fehlern lernen? Nur weil du die Frau meines Homies bist, werde ich dich nicht bis ans Ende deiner Tage versorgen. Ich war mehr als fair und großzügig. Ich habe ihr Summen gegeben, die die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben nicht verdienen werden. Sie hätte sich ein eigenes Geschäft aufbauen, ihren eigenen Schönheitssalon eröffnen können – irgendwas, um sich selbst zu versorgen. Wenn ich morgen sterbe, muss sich niemand um meine Familie sorgen. Darum habe ich mich schon zu Lebzeiten gekümmert. Das nennt man einen Sinn für Realität.

Text: Alexis Slama

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