Drake – More Life // Review

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(Young Money Entertainment / Universal)

Wertung: Fünf Kronen

»Ich red von Elvis-Level, ich mein Jigga-­Level.« Ja, in der Kategorie muss man denken, wenn es um Drake geht, über den es bis vor einem Jahr nur zwei Statements gab: Heulsuse oder Heilsbringer. Dass der Kitsch von »Views« erstmals auch Kritiker an der OVO-Quality-Control zweifeln ließ, und der Dauer-Airplay von »One Dance« ein paar Drizzy-Ultras verprellte, setzte Aubrey schwer zu – und führt zu seinem vielleicht stärksten Album seit »Take Care«. »I was an angry youth, when I was writing ‚Views’/Saw a side of myself that I just never knew.« Da heimst einer alle Streaming-Superlative ein, gewinnt das klarste Battle der Rapgeschichte, übt daran noch Selbstkritik – und eine kritische Masse peilt immer noch nicht, was dieser Emo für Türen für die Kultur eintritt. Aber lasst uns nicht an Zahlen und Impact aufhalten. Der hardest working Man im Popbiz (»What’s that? Facts!«) und begehrteste Junggeselle ­Hollywoods ist wieder Single und schmeißt eine Playlist. Dass sich Drake nach Serena-Abgang, Rihanna-Rückkehr und J.Lo-Gruschler jetzt wieder bipolar-gestört seinen Minder­wertigkeitskomplexen widmet – soviel Zynismus sei erlaubt – darf die Popgeschichte freuen. Der Typ kann das halt wirklich: pro Woche zehn Hits machen, rausballern, 500 Millionen für nen Deal ­ausrufen, beschwipst seiner Jugendliebe texten, sie daten, crushen, für einen Track samplen und den dann »Teenage Fever« nennen. Is’n Habibiding, kann man nur fühlen. »More Life« vereint alle Drakes und sollte alle Sympathisanten (lies: Menschen mit Verstand) zufriedenstellen. Es gibt ­verhallte Flächen, 808s und gebrochene Herzen, wie zu schmalzigsten »So Far Gone«-Zeiten, frühreife ­Besserwisserei wie auf »Thank Me Later«, betrunkene Beziehungs­tipps à la »Take Care«, stumpfes Danebenbenehmen der »NWTS«-Tage, die passive Aggressivität aus der »IYRTITL«-Ära und den sattge­fressenen Penthouse-Besitzer von »Views«, vor allem aber den B-Seiten-Drake. Denn was bei seinen neun Quasi-Alben in acht Jahren gerne vergessen wird, sind die regelmäßigen Free-Tracks; Zwischenstücke, die so viel zum ­Gesamtkunstwerk Aubrey Graham beitragen. Die »Forever«-, »The Motion«-, »Trophies«-, »How Bout Now«- und »Hotline Bling«-Momente, die zusammen­genommen einen zehnten, hust, Klassiker abgeben würden. Auf »More Life« ist das die »7AM in Germany«-Memo »Do Not Disturb«, die Kanye-Skizze »Glow«, die unterschätzte Radio-Single »Fake Love«. Natürlich gibt es auch den Primetime-Playboy (»Madiba Riddim«), den Sad-Boy-Drake (»Lose You«), den Ich-ripp-­deinen-Flow-und-Swagger-Drake (»KMT«) und einige britische Ausnahme-Cameos (Skepta, Giggs, Dave, Sampha), denen der Protagonist immer etwas hinterherhinkt. Der Playlist-Peak »Portland« geht auf Nacken der schwäbischen Platin-Twinz Cubeatz, die sich dafür den Flöten-Beat-Award des Jahres verdienen. Auf »Sacrifices« – dem aberwitzigen Wie-Vergleiche-Turnier mit 2 Chainz und Thugger – und »Blem« buddelt Aubrey sogar den verlorengeglaubten Produzenten-Weggefährten T-Minus aus, der ihm schon so einige Greatest Hits spendierte. Lass Kendrick ruhig den King-Titel, MVP ist und bleibt Drake, der den schmalen Grat zwischen Tiefstapeln und Scheineschmeißen, Popstar (»­Passionfruit«) und Ein-Track-Punchliner (»Can’t Have ­Everything«) wieder grandios meistert. Es ist ganz einfach: Wer »More Life« nicht ahnt, hat Drake nie verstanden.

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