DMC

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Vergangenes Jahr wurde mit der Aufnahme in die »Rock’n’Roll Hall of Fame» ein weiterer Meilenstein in der Geschichte von Run DMC gesetzt. Bei der Zeremonie strich Eminem nochmals den unglaublichen Einfluss des Trios auf den weiteren Verlauf der HipHop-Geschichte heraus. Während Reverend Run in erster Linie durch die Zurschaustellung seines Familienlebens bei MTV präsent war, wurde es um DMC deutlich ruhiger. Vielen Hörern dürfte sogar entgangen sein, dass er 2006 sein erstes Soloalbum »Checks, Drugs & Rock’n’Roll« auf den Markt brachte. An Rap-Rente denkt der Mittvierziger aber noch längst nicht, wie er uns beim JUICE-Gespräch im Rahmen seiner Europatournee versicherte.
 
Du arbeitest momentan an deinem zweiten Soloalbum »The Origins Of Block Music«. Was erwartet uns?
Viele Künstler würden behaupten, dass sie Beats haben, die sich wie »Raising Hell« oder »Walk This Way« anhören. Von mir wirst du niemals hören, dass ich das wiederholen will, denn es ist Geschichte. Die neue Platte zeugt aber vom selben Geist – sie macht Spaß, ist kreativ und dynamisch. Als ich mein erstes Soloalbum veröffentlichte und danach in Japan war, um Interviews zu geben, fragte mich jeder der Interviewer, ob es mir gut gehe. Nachdem mir 49 Journalisten dieselbe Frage gestellt hatten, fragte ich den fünfzigsten Interviewer, wieso sich alle nach meinem Befinden erkundigen. Er sagte, dass »Checks, Drugs & Rock’n’Roll« ein sehr depressives, düsteres und trauriges Album sei. Das brachte mich zum Nachdenken, und deshalb wollte ich eine fröhliche Platte machen. »The Origins Of Block Music«, das bedeuetet: Künstler wie Melle Mel, Flash, Treacherous Three oder Bambaataa produzierten sehr von Disco beeinflusste, clubfreundliche Platten im Stil von »Rapper’s Delight«. Aber bevor diese Künstler Plattenverträge hatten, taten sie genau das, was Run DMC auf der Straße machten. Die neue Platte bringt euch zurück zu dem Sound, der mich inspirierte, als ich zwölf Jahre alt war.
 
Du gehst also zu den Ursprüngen, nachdem dein erstes Soloalbum sehr vielseitig war.
Es werden weiterhin Rock’n’Roll-Einflüsse zu hören sein, da ich diese Musik einfach liebe. Das erste Album drehte sich aber mehr um Gefühle – wenn ich traurig war, schrieb ich einen nachdenklichen Song, wenn ich Selbstmordgedanken hatte, verarbeitete ich das in einem anderen Text. Auf dem neuen Album wird die Musik mehr im HipHop verwurzelt sein, inhaltlich geht es aber weiterhin darum, was ich fühle. Die Platte soll mich voll und ganz repräsentieren – ich werde nicht versuchen, ein neues Run DMC-Album ohne Run und Jam Master Jay zu machen.
 
Mit »Checks, Drugs & Rock’n’Roll« wolltest du dich den jüngeren HipHop-Hörern vorstellen. Denkst du, dass du dieses Ziel erreicht hast?
Nein, weil es zu tiefgründig war. Ich konnte aber ­sicherlich die Kids erreichen, die schon mal Selbstmordgedanken hatten. Wenn man diese Gedanken mit sich trägt, nimmt man sich entweder das Leben, weil man nicht damit umgehen kann, man schadet anderen, verletzt sich selbst, beginnt Drogen zu nehmen oder als Mädchen gehst du mit jedem ins Bett. Ich hatte diese Gefühle, als ich 35 Jahre alt war, konnte damit aber auch viele Kids ansprechen. Beim ersten Album müssen die Kids gedacht haben, ich sei ein Therapeut. Mit dem neuen Album werde ich auf gleicher Augenhöhe mit ihnen ­sprechen, auch wenn ich bereits über 40 Jahre alt bin. Auf dieser Tour kommen sehr viele Jugendliche mit Run DMC-T-Shirts zu meinen Shows und wollen Autogramme. Mit HipHop hat man die Möglichkeit, unterschiedliche ethnische Gruppen verschiedensten Alters anzusprechen. Viele Kids kennen unsere Musik noch, weil ihre Eltern, Verwandten oder älteren Geschwister unsere Platten gehört haben.
 
Du hattest mit Stimmproblemen zu kämpfen. Inwiefern beeinflusst dies deine Arbeit als MC?
Es hat keinen Einfluss mehr auf meine Karriere. Mein Arzt meinte nur, ich solle mich gelegentlich etwas schonen. Es war, als ob ich beide Beine gebrochen hätte und unbedingt wieder laufen wollte. Gewisse Leute sind der Meinung, dass ich mein erstes Album zu früh gemacht habe. Wenn du aber den Gips nicht mehr an den Beinen hast, willst du sofort versuchen zu laufen. Ich musste mich durchkämpfen. Als diese Stimmprobleme auftauchten, hat mir das gezeigt, dass auch ich nur ein Mensch bin. Man fühlt sich wie ein Fußballspieler, dem gesagt wird, dass er nie mehr Spitzensport betreiben kann. Dann muss man alles geben und beweisen, dass dem nicht so ist. Vielleicht schafft man keine 100 Prozent mehr, aber selbst mit 85 Prozent hat man bewiesen, dass es geht. Schlussendlich bin ich keine 18 mehr und klinge dementsprechend auch nicht mehr so. Ich bin nicht mehr in der Phase von »Sucker MC’s» oder »Hit It Run«, auch wenn viele das gerne hätten. Ich bin nicht wie viele Rapper heutzutage, die krampfhaft versuchen, ins Radio oder in die Charts zu kommen. Viele bekannte Rapper sind über 25 Jahre alt und versuchen, wie Soulja Boy zu klingen. Selbst in meinen jungen Jahren bei Run DMC habe ich nie über Sachen gerappt, die nicht der Wahrheit entsprachen. Du hörtest mich nicht über meine Autos oder sexuellen Eskapaden reimen. Viele Rapper reden vom Ghetto, leben aber längst in einer riesigen Villa und schicken ihre Kinder auf die besten Schulen.
 
Du suchst auf deiner Website den neuen »King Of Rap«. Was ist die Idee dahinter?
Viele junge MCs denken, dass sie nur über Sex, Gewalt, Gangs oder das Leben eines Thugs rappen können. Ich wollte meine Zeit nicht damit verschwenden, den Kids zu sagen, dass es noch andere Themen gibt, sonst würden sie mich für den komischen Rap-Opa halten. Aber ich bekomme sehr viele Demos und denke mir oft, dass diese Kids mehr draufhaben. Sie produzieren solche Songs, weil sie sich nur daran orientieren, was Leute wie 50 Cent oder Lil Wayne machen. Bei diesem Wettbewerb geht es daher vor allem darum, den Kids zu zeigen, dass es auch andere Themen gibt. Es soll eine Herausforderung sein, einen Text zu schreiben ohne vulgäre Ausdrücke, ohne Gewalt oder Sexismus. Sie dürfen sich kritisch mit der Gesellschaft auseinandersetzen, sollen aber nicht behaupten, dass sie selbst Killer oder Thugs sind. Es ist nicht die Aufgabe von Run DMC, Public Enemy, KRS-One, De La Soul oder A Tribe Called Quest den Kids zu sagen, was sie zu tun haben. Die Kids müssen aber verstehen, woher wir kommen. Wenn wir damals einen materialistischen Song gemacht haben, war es ein Track und nicht ein komplettes Album. Hast du einen Song über Bitches geschrieben, ist das in Ordnung. Aber du solltest dann auch einen Track über eine Frau schreiben, die jeden Tag hart arbeitet, um ihre fünf Kinder aufs College zu bringen. Viele sagen, dass ich heute positive Lieder schreibe, weil ich älter und weiser bin, was sicherlich stimmt, aber ich habe auch schon als Jugendlicher solche Texte geschrieben. Wir waren damals ja noch keine Männer mit viel Lebenserfahrung – wir waren die Lil Waynes unserer Zeit! Unsere Leute zu beeindrucken, war nicht unser einziges Ziel, wir wollten auch den Erziehern und Politikern zeigen, dass wir HipHop-Kids etwas zu sagen haben. Mit diesem Wettbewerb versuche ich also streng genommen, die Kids ein wenig reinzulegen, um ihre Kreativität zu fördern.
 
Du vermisst also die Kreativität im HipHop?
Es gibt einige gute Sachen, aber insgesamt ist der aktuelle HipHop zu eintönig. Alles klingt gleich, sieht gleich aus, man hört überall dieselben Produzenten und alle rappen über die gleichen Themen. De La Soul wussten, sie können nicht wie Run DMC rappen, wir wussten, dass wir nicht wie LL Cool J klingen können, LL wusste, dass er nicht wie KRS-One klingen kann und KRS wollte nicht Public Enemy sein. Selbst wenn wir alle gewisse Gemeinsamkeiten hatten, waren die Musik und das Auftreten verschieden. Aber versteh mich nicht falsch: Ich will nicht, dass HipHop so ist, wie er früher war – ich will, dass er besser ist als damals, denn auch das wäre möglich.
 
Wenn du einen Wert aus der HipHop-­Frühphase in die Gegenwart retten könntest, welcher wäre es?
Die Ansicht, dass man als Rapper eine Verantwortung hat. Wenn HipHop dir sagen kann, was du anziehen oder trinken sollst, hat diese Kultur auch die Möglichkeit, positive Messages zu vermitteln. Ich meine, wenn Chuck D, Big Daddy Kane oder Q-Tip einen Raum betreten, dann sagen die Leute nicht: »Schau, ein Prominenter!« Sondern sie sagen, dass ihre ­Musik ihr Leben verändert hat. HipHop ist anders als andere Formen der Unterhaltung. Ein Rapper kann etwas viel glaubhafter rüberbringen als ein Filmstar. Viele Rapper, die mal in einer Gang waren oder ­Drogen verkauft haben, erzählen den Kids, dass sie genau das nicht tun sollen. Aber es gibt auch ­solche, die nie Drogen verkauft haben und sich aufführen wie kolumbianische Barone – und die Kids glauben ihnen das.
 
Ich habe gehört, dass ein Film über die Geschichte von Run DMC geplant ist.
Es wird nicht nur einen Film geben, sondern auch noch ein Stück am Broadway. Wir sind momentan noch mit der Planung beschäftigt. Die Dreharbeiten sollten im Sommer beginnen, so dass der Film im Herbst oder Winter des nächsten Jahres fertig ist.
 
Nach dem Tod von Jam Master Jay gaben Run und du bekannt, dass ihr Run DMC auflöst. Besteht also für eure Fans überhaupt keine Chance auf eine Reunion?
Nicht als Run DMC. Es ist aber nicht auszuschließen, dass man Run und mich wieder auf einem Song zu hören bekommt. Es ist nicht unsere Absicht, aber mal angenommen, wir würden einen Song im Stil von “We Are The World” machen, den die Leute fühlen, dann würde es wieder Sinn ­ergeben. Es könnte durchaus passieren, dass wir plötzlich wieder Lust bekommen. Vielleicht gehen wir auf Welttournee oder spielen zu Ehren von Michael Jackson die 50 Dates, die er in London hätte spielen sollen. Das große Problem ist aber, dass wir nicht wissen, wie das ohne Jay funktionieren soll. Ohne ihn wäre es einfach nicht dasselbe.
 
Habt ihr deshalb auch darauf verzichtet, bei der Zeremonie der “Rock’n’Roll Hall Of Fame” aufzutreten?
Es hätte nur Sinn gemacht, wenn wir mit Aerosmith aufgetreten wären. Aber da das nicht möglich war, ­ließen wir es ganz bleiben.
 
Du wirst dieses Jahr 46. Denkst du, dass es ein Rentenalter für HipHop-Künstler gibt?
Nein. Du würdest diese Fragen auch nicht Mick Jagger oder Eric Clapton stellen. Wenn ein Rapper in Rente geht, verhält er sich respektlos gegenüber der Kultur. Denn damit zeigt er den Kids, dass ihm dieser Lifestyle nur des Geldes wegen etwas bedeutet hat. Ich sah letztes Jahr Big Daddy Kane auf der Bühne, und er ist auch in seinem Alter noch immer besser als alle MCs da draußen. Echte Rapper machen es wie Frank Sinatra und stehen noch auf der Bühne, wenn sie kaum mehr die Lyrics vom Teleprompter ablesen können.
 
Text: Fabian Merlo
Foto: Lukas Mäder
 

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