Dizaster: »Ich bin der bestbezahlte Battle-Rapper der Welt!«

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Dizaster-Hanno-Martius

Kannst du deinen Lebensunterhalt durch Rap-Battles bestreiten?
Ja. Ich habe 50.000 Dollar für das Battle gegen Cassidy bekommen, also bin ich der bestbezahlte Battle-Rapper der Welt. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich diese Summe mittlerweile für jeden Auftritt verlange, aber inzwischen kann ich zwischen fünf- und zehntausend Dollar pro Battle fordern und muss nicht nebenher irgendeinen Drecksjob machen, um über die Runden zu kommen. Es gibt aber nur eine Handvoll MCs, die tatsächlich davon leben kann: Arsenal, Hollow Da Don, DNA, mich – und das war’s schon fast.

Siehst du dich als Wegbereiter dafür, dass heute Geld mit Battles verdient werden kann?
Es gibt viele Leute, die hart gearbeitet haben und jetzt die Bezahlung erhalten, die ihnen zusteht. Aber einige Ligen haben manchen MCs gleich viel zu viel bezahlt. Battlerap ist eine Untergrundbewegung, also sollte man etwas an die Community zurückgeben. Ich werde deshalb gut bezahlt, weil ich mehr als ein Jahrzehnt meines Lebens dem Battlerap gewidmet und mehr Aufwand als alle anderen betrieben habe. Ich habe jeden gebattlet, egal wo. Wenn ich Glück hatte, gab’s als Belohnung ein Ticket für den Bus nach Hause. Selbst mit Klassiker-Battles war ich noch ein am Hunger­tuch nagender Backpacker. Wegen dieses Aufwands und meiner Leidenschaft sind heute überall auf der Welt Veranstaltungen ausverkauft, wenn ich auftrete. Online generieren meine Battles ­Millionen von Klicks. Das passiert nicht von ­heute auf morgen, weswegen es mich ein ­wenig kränkt, wenn junge MCs auf einmal bezahlt werden wollen, nur weil sie mit ein paar Battles ein bisschen Hype um sich entfacht haben.

Ist Battlerap wirklich noch eine Untergrund-Bewegung? Mancherorts ist es doch mittlerweile beliebter als HipHop selbst, oder nicht?
Auf den Philippinen und in Russland gibt es die größte Anhängerschaft. Deren Ligen kriegen bis zu drei Millionen Klicks auf ein Battle innerhalb der ersten Tage nach dessen Veröffentlichung. Das ist wirklich verrückt! Die »URL« (USA), »King Of The Dot« (Canada) und »Don’t Flop« (England) sind die am meist diskutierten im englischsprachigen Raum. Großbritannien hat wahrscheinlich seit einigen Jahren die florierendste Szene. Battlerap ist trotzdem underground, allein schon wegen der Inhalte. Echte Ligen, die seit Jahren ihr Ding durchziehen, machen auch die besten Events. Wenn irgendwelche Firmen auftauchen, weil sie Kohle riechen, macht das meistens die Events kaputt, weil sie keine Ahnung haben. Bestes Beispiel ist mein Battle gegen Cassidy: Wir mussten das Battle am nächsten Tag in einer kleinen Garage neu aufnehmen, weil in der riesigen Location am Vortag alles schiefgelaufen war.

Was entgegnest du Leuten, die Battlerap aufgrund der vorgetragenen Texte als etwas Negatives einstufen?
Das ist heuchlerisch. Solche Leute behaupten, dass etwas in einem Battle-Kontext zu hart ist und gehen danach ins Kino, um sich einen Actionfilm anzusehen, wo Leuten der Schädel weggeblasen wird. Obwohl es darum geht, sein Gegenüber niederzumachen, unterhält man damit hunderte von Zuschauern vor Ort und hunderttausende oder Millionen Menschen online. Wenn man auf die Geschichte der Menschheit zurückblickt, kann man sehen, dass es in verschiedensten Gesellschaften und Zivilisationen eine Tradition des verbalen Duells gab, die der Unterhaltung diente. Heutzutage macht man das eben mithilfe von Rap.

Wenn’s um den Wettbewerb geht, hast du auf einem Beat einfach nicht dieselben lyrischen Möglichkeiten wie bei einem Acappella.

Seit wir in Deutschland mit den »DLTLLY«-Battles angefangen haben, ist uns aufgefallen, dass es hierzulande unter MCs ­üblich ist, sich vor dem Battle auf bestimmte Tabus zu einigen. Was hältst du davon?
Wenn du deinen Gegner zensierst, beraubst du ihn seiner Rede- und Meinungsfreiheit. Diese aber bildet die Essenz von Battlerap. Stell dir vor, man würde Dead Prez zensieren und ihnen vorschreiben, dass sie bestimmte ­Meinungen über die Gesellschaft oder Politik nicht aussprechen dürfen. Das ist doch nicht HipHop! ­Dasselbe gilt für ein Rap-Battle, in dem das Thema dein Gegner ist. Die einzige Ausnahme, die mir einfällt, ist etwas wirklich Trauriges, wie zum Beispiel der Tod eines Familienangehörigen. Aber wenn dein Gegner peinliche Anekdoten ausgräbt und dich damit bloßstellt: Pech gehabt, Motherfucker! Darum geht es schließlich. Wenn du der Wahrheit nicht ins Auge blicken kannst, solltest du nicht battlen.

Wieso ist es in letzter Zeit ruhiger um dich geworden?
Ich musste eine Pause einlegen, nachdem ich fünf Jahre konstant Vollgas gegeben habe. Aber niemand wird je so einen Lauf haben wie ich zwischen 2011 und 2013. Da habe ich alle paar Wochen jemanden gebattlet. Das hat sich nach einer Weile auch auf meine Qualität auf der ­Bühne ausgewirkt und einige Leute behaupteten bereits, dass ich nachlasse. Ab und zu tut es gut, einen Schritt zurück zu gehen, an seinem Material zu arbeiten und so auch die Erwartung für ein Battle wieder zu erhöhen.

Das bedeutet also, dass du wieder mehr battlen wirst?
Ja, ich habe einen Haufen Battles, die ich unbedingt machen möchte. Außerdem möchte ich weiterhin viel reisen. Die nächsten Trips gehen voraussichtlich nach Russland und Südafrika, weil ich in beiden Ländern noch nicht gebattlet habe. Außerdem stehen die Chancen für ein richtig großes Battle gut. Allerdings darf ich noch keine Namen verraten.

Das wäre dann wohl dein dritter »Mainstream«-Gegner nach Canibus und Cassidy. Wieso ist es so ungewöhnlich, dass Mainstream-Rapper wirklich im Battle überzeugen können?
Wenn du in der Fußballnationalmannschaft spielen möchtest, wirst du das nicht schaffen, wenn du die Hälfte deiner Zeit mit Tischtennis verbringst. Du musst dich zu hundert Prozent auf eine Sache konzentrieren, wenn du Erfolg darin haben willst. Es gibt natürlich MCs, die es schaffen, beides gleichzeitig zu betreiben. Aber wirklicher Erfolg in beiden Bereichen ist so gut wie unmöglich.

Wirst du dich vielleicht trotzdem irgendwann mehr aufs Musikmachen konzentrieren?
Ich nehme viele Songs auf, ich habe nur vieles einfach noch nicht veröffentlicht. Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, wo ich die Sachen releasen kann. Aber solange ich mich als Battlerapper weiterentwickle, wird mein Hauptaugenmerk auch darauf liegen. ◘

Text: Jamie Seidl-Curtis / Übersetzung: Jakob Paur
Foto: Hanno Martius

Dieses Interview erschien in JUICE #168 (hier versandkostenfrei nachbestellen).JUICE Ausgabe 168

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