Credibil: »Ich will, sollte ich morgen sterben, der Welt immerhin etwas mitgegeben haben« // Interview

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Frankfurt hat seinen Ruf als Hochburg des Straßenrap in den letzten Jahren mit Nachdruck festgezimmert. Mit Credibil schickt die hessische Metropole nun aber einen Newcomer ins Rennen, der zwar das Management mit Celo & Abdi teilt, sich inhaltlich jedoch ganz anders positioniert. Öffentliche Props von Kool Savas ebneten ihm den Weg. Mit dem Mixtape »Deutsches Demotape« stellt er sich nun einer breiteren Hörerschaft vor. Dazu rappt er über Beats von so unterschiedlichen Klassikern wie »Füchse«, »Nie ein Rapper« oder »Gott liebt mich« und legt einen besonders starken Fokus auf Texte fernab jeglicher Straßenrap-Klischees. Experimente wie dieses können furchtbar schief gehen – in diesem Fall sieht das zum Glück anders aus.

Zu Beginn können wir gleich mal das Gerücht aus der Welt schaffen, du seist aus dem Azzlack-Umfeld.
Also, ich bin weder ein asozialer Kanacke, noch bin ich dort gesignt. Wir sind ganz einfach befreundet, zudem haben wir dasselbe geschäftliche Umfeld. Jungs wie Celo und Abdi sind Freunde, und wenn ich einen Rat brauche, kann ich bei ihnen nachfragen. Trotzdem sehe ich anders aus, rede anders und meine Musik klingt sowieso nicht so wie die Musik der Azzlackz.

Du bist in Marburg geboren und aufgewachsen. Dann kamst du mit 14 nach Frankfurt. War das ein Bruch in deinem Leben?
Natürlich, aber das war auch zum Guten. Menschlich war es für mich eine wichtige Erfahrung, mal etwas zurückzulassen. Als ich damals ging, weinte die ganze Stadt. Aber weißt du, was wenig später kam? Alle vergaßen sie mich. Erst seitdem es mit Rap läuft, kommen die Leute wieder an.

Angefangen zu rappen hast du aber noch in Marburg, oder?
Ja, bereits mit neun habe ich meinen ersten Text geschrieben – auch wenn das natürlich ein einfacher Haus-Maus-Text war.

Was hast du damals gehört?
Zunächst sehr viel Amizeug, 50 Cent oder Eminem – wenig später bin ich aber auch ins Deutsche reingestolpert. Ich konnte schon immer sowohl Curse als auch Bushido feiern. Mir war von Anfang an egal, ob ein Rapper soften Rap macht und ein anderer harten – solange es gut war, habe ich es gefeiert. Und ich habe mir damals schon gewünscht, auch in Musikvideos mitzuspielen – ich war eben jung und hatte große Träume. Meinen ersten Auftritt hatte ich im Wohnzimmer meiner Mutter. Ich machte »Ich bin jung und brauche das Geld« von Eko an und performte das zum Playback. Als ich noch in die Grundschule ging, habe ich sogar mal auf Klassenfahrt vor der ganzen Klasse einen Eminem-Song zum Besten gegeben, obwohl ich damals kein Wort Englisch konnte.

Du wusstest also schon früh, dass Rap dein Ding ist.
HipHop ist ganz einfach da, seitdem ich denken kann, und bedeutet alles für mich. Natürlich bin ich auch mit Mädchen um die Häuser gezogen, aber HipHop stand für mich immer an erster Stelle. Alles andere war Nebensache, selbst die Schule. Hingegangen bin ich trotzdem immer, weil meine Mutter wollte, dass ich etwas vorzuweisen habe. Aber natürlich sagt ein Zertifikat eigentlich noch lange nicht, dass du schlau bist, das ist totaler Schwachsinn. Mein Abi habe ich bisher auch gar nicht gebraucht, auf ein Studium habe ich erstmal verzichtet.

Für welches Fach hättest du dich denn entschieden, wenn du studiert hättest?
Wahrscheinlich Philosophie, das wäre am schönsten und auch am passendsten. Ich habe mein Fachabitur damals in Mediengestaltung gemacht, weil ich wissen wollte, wie diese Industrie tickt. Ich wollte wissen, wie man ein Produkt so vermarktet, dass es gut bei den Hörern ankommt, und zudem lernen, wie man Logos macht. Mikis (Fontaignier von der Famefabrik – Anm. d. Verf.) war der erste, den ich angeschrieben habe – damals war ich etwa 14 Jahre alt. Ich habe ihm gesagt, ich will das machen, was du machst, weil mir schon immer gesagt wurde, dass man mit Rap kein Geld verdienen kann. Also wollte ich etwas machen, das mit Rap zu tun hat, aber von dem man leben kann. Mikis hat mir dann geraten, Fachabitur zu machen. Mit 16 habe ich ihm meinen Song »Fremde« geschickt. Ein paar Tage später meldete er sich bei mir und erklärte mir, er würde den Song mies feiern. Das ist jetzt auch schon wieder drei Jahre her … die Zeit vergeht so schnell. Ich muss unbedingt schnell an den Start kommen. Ich will, sollte ich morgen sterben, der Welt immerhin etwas mitgegeben haben.

Du nimmst das alles richtig ernst, oder?
Ja, da ist diese Euphorie in mir, mit der ich Leute anstecken will. Mikis hat zum Beispiel auch gesagt, dass wir für jedes Lied vom »Demotape« ein Video drehen können. Die kriegen auch dieses Feuer. Ich spreche mit m3 und er kriegt so Bock, ruft zwei Tage danach an und schickt mir Beats. Die Leute merken einfach, dass ich brenne.

Die Beats, über die du auf deinem Mixtape rappst, sind allesamt echte Klassiker. Wie hast du es vermieden, auf denen unterzugehen?
Ich wollte unbedingt, dass jeder der Songs etwas mit dem Original zu tun hat, damit sie nicht wie meine eigenen wirken. Stattdessen bin ich die Themen der Originale von einer neuen Seite angegangen, zum Beispiel bei »Gibt es dich«. Anstatt einfach zu wiederholen, dass Frauen scheiße sind, erzähle ich, dass ich selbst kein guter Junge bin. Aus »Es war ein Fehler diese Frau zu suchen, diesen Engel unter tausend Huren« wird bei mir »Doch eigentlich hatte ich diese Frau gefunden, doch war geblendet von den tausend Nutten«.Ich wusste, dass Leute sich immer an das Original erinnern werden, wenn sie diese Songs hören. Ich male über die Buchstaben mit derselben Schriftart, füge aber meine eigenen Gravierungen hinzu.

Für die Skits auf deinem Mixtape hast du Samples aus dem Film »Barton Fink« verwendet. Die Coen-Brüder sind nicht unbedingt klassische HipHop-Lieblinge …
Ja, aber dieser Film ist wahnsinnig tiefgründig und hat mich sehr bewegt. Die erste Hälfte des Films vergeht sehr zäh. Daran kann man nur Gefallen finden, wenn man den Kontext im Auge behält. »Barton Fink« ist definitiv einer meiner Lieblingsfilme, auch wenn er sehr speziell ist und sicher nicht jedem gefällt. Ganz besonders als Künstler kann man aber aus diesem Film sehr viel mitnehmen.

Du wurdest letztes Jahr schlagartig bekannt, als Savas ein Acapella von dir postete und es mit dem Zusatz »Deutschraps Zukunft« versah. Ist so ein Lob auch eine Bürde?
Dieser Titel verfolgt mich, er ist natürlich eine große Last, schließlich legen die Leute großen Wert auf Savas’ Meinung. Wenn ich jetzt mit meinen Releases floppe, schade ich nicht nur mir, sondern auch ihm, weil er sich für mich stark gemacht hat. Also, wenn ich es jetzt verbocke, dann habe ich so richtig verkackt. Dennoch habe ich keine Angst und nehme das alles gelassen. Ich bin überzeugt davon, dass ich in etwa zwei Jahren einen Punkt erreicht haben werde, an dem ich sagen kann, dass ich jetzt stolz auf meine Leistung sein darf. Dieser Newcomerstatus verschwindet so schnell, wie er gekommen ist, es muss also darum gehen, sich immer weiter zu steigern. Und das habe ich vor.

Du hast also hohe Ziele?
Ja, im Gegensatz zu anderen habe ich Respekt vor dem, was es schon gab. Ich blicke zunächst auf mich selbst und überlege mir dann, wo ich hin will. Es gibt so viele Rapper, die von sich behaupten, der Beste zu sein. Und natürlich sollte auch jeder Rapper dieses Ziel haben, aber zwischen sein und werden liegt bekanntlich ein großer Unterschied. Wer anfängt zu sein, hat aufgehört zu werden, deswegen versuche ich mich ständig weiterzuentwickeln. Deswegen versuche ich der beste Rapper zu werden, werde jedoch niemals von mir behaupten, dass ich es bin. Der Weg ist eben das Ziel. Kendrick Lamar behauptet zwar von sich auch, dass er der King ist, aber er ist unglaublich hungrig und hört nicht auf, hungrig zu sein. Er wird niemals satt, das ist wahrscheinlich auch sein Erfolgsgeheimnis. Vielleicht ist das auch der Sinn dieses Interviews: dass die Leute merken, dass ich hungrig bin und ich sie so dazu bringe, mir zuzuhören.

Text: Oliver Marquart
Foto: Mikis Fontagnier

Dieser Artikel ist erschienen in JUICE #156 (hier versandkostenfrei nachbestellen).

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