Crack Ignaz: »Ich wäre auch gern schön wie eine Frau.«

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Bei der Art und Weise, wie auf »Geld ­Leben« gesamplet wird, musste ich immer wieder an Madlib denken.
Wandl: Ja, das war auch eine konkrete Inspiration. Ich liebe es, einen Loop aus dem Kontext zu reißen und daraus eine Welt zu erschaffen.
Ignaz: Gott spielen.
Wandl: Ich hatte bei dieser Platte verschiedene Digging-Phasen: Am Anfang habe ich viel italienischen Stuff gehört, um den sommerlichen Vibe einzufangen. Und dann bin ich voll abgerutscht in Psychedelic Rock aus den Siebzigern, Jazz und obskure, artsy Neunziger-Platten.

Mir wurde mal sehr glaubhaft erzählt, dass die Musikszene in Wien etwas verschlafen sei. Was Rap angeht, kann man das aktuell kaum behaupten, oder?
Ignaz: Aber auch erst seit wir on the map san, Oida – Gödlife. (lacht) Ne, also es ging natürlich Rap-technisch schon immer was, mich hat nur der Sound hier früher weniger ­interessiert. Ich erinnere mich noch an eine Zeit, in der ich mich nach etwas gesehnt habe, das mir fehlte.

 
Und mit wem hat sich das geändert?
Ignaz: HipHop-technisch war es Kroko Jack – Shoutout! Das war richtig geiler Mundart-Rap. Der Klang, der Flow – der ganze Vibe traf genau meinen Nerv. Das ist halt auch die Art, wie ich rede. Dadurch liegt mir das am Herzen. Später kam dann der Shit aus meinem Umfeld vom Hanuschplatzflow dazu: Young Krillin, damals noch als Jazzy Dick, Drexor, Lex Lugner und Däk Intellekt. Ich fand deren Sachen saugeil und wollte das auch machen. Wobei, eigentlich hat mich Lil B zum Rappen gebracht – thank you, based god!
Wandl: Ich rappe zwar nicht, aber ich glaube auch, dass es mir auf Hochdeutsch echt schwerfallen würde, etwas Authentisches zu machen. Würde ich so rappen, wie ich rede, dann klänge das wahrscheinlich wie Yung Hurn – und den gibt’s halt schon.

Apropos Authentizität: In »Rawness« ist die Rede von Leuten, die »fake« sind. Ignaz, was ist für dich Authentizität?
Ignaz: Boah, das ist eine sehr abstrakte Frage. Authentizität bedeutet wohl für jeden etwas anderes. Ich glaube, man merkt ­Leuten Authentizität an. Jeder ist erst einmal so, wie er eben ist; aber manche Leute versuchen, sehr anders zu sein, als sie sind. Dann wiederum gibt es Leute, die in dem Versuch, anders zu sein, irgendwie auch wieder sie selbst sind. Du siehst, das ist kompliziert.

Es gibt sicher Leute, die es für »fake« halten, wenn du von lila Scheinen und rosa Uzis rappst.
Ignaz: Aber das ist der real shit, Oida. Mutherfuckin’ Paper, Uzis – keepin’ it real. Obwohl, stimmt: Die Uzi war nicht rosa, das ist fake. (lacht) Ich finde das übrigens gerade gut, wenn die Leute nicht genau wissen, was Sache ist.

Mich hat der Track »Schwarze ­Dünen« überrascht, weil das im ­Grunde ­Battlerap ist. Wem ist der Song ­gewidmet?
Ignaz: Jedem, der engstirnig an HipHop rangeht und anderen seine Vorstellung aufzwingen möchte. Und sowieso jedem, der sich angesprochen fühlt.

Du kannst super viel darüber reden, ohne einen Inhalt vermitteln zu müssen. – Crack Ignaz

Im Track gibt es die Zeile: »Für einen Message-Rapper hab ich einen Messerstecher«. Was nervt dich an Messages?
Ignaz: Message-Rapper an sich stören mich nicht, aber die meisten, die sich als solche bezeichnen…
Wandl: …versuchen ihre Wackness mit einer Message zu überdecken.
Ignaz: Genau, es geht mir um deren beschissene Musik, nicht um die Message an sich. Jeder kennt doch diesen Prototyp Message-Rapper: der Dude, der einfach zero-fun ist. (lacht) Wien ist nicht unbedingt ein Hotspot dafür, aber die Typen gibt’s natürlich auch hier.

Leute, die sich daran stören werden, dass auf »Geld Leben« einiges politisch unkorrekt ist?
Ignaz: Ist das so?
Wandl: Naja, da sind schon ein paar sexis­tische Sachen bei.
Ignaz: Gar nicht, Oida, was geht?
Wandl: Wie war noch die Zeile? »Kriege ich nicht die Pussy, kriege ich fix ihr’n Schädel.«
Ignaz: Ja, Oida, das ist ja nichts gegen Frauen, ich bin halt ein fucking Pimp. (lacht) Ich spiele halt gern damit, dass man Sachen falsch verstehen kann. Im Track »Gwalla« gab es eine Line: »Ich bin so pretty, Hawara meinen, ich bin gay«. Wenn man wollte, konnte man das ganz falsch auslegen, aber ich versuche gar nicht, etwas Negatives rüberzubringen. Ich spiele mit dem Gedanken »What the fuck, was will der mir sagen?«

Da fällt mir auch eine Zeile auf »Geld Leben« ein: »Ich fühl mich so fesch, ich glaub, ich bin Pocahontas«.
Ignaz: Ja, ich wäre auch gern schön wie eine Frau, no shit. Ich finde auch so Dinger wie »Sie will ficken, weil ich swaggy bin« nicht sexistisch. Angenommen sie will das: Deswegen wäre sie ja nicht weniger wert oder so. Am Ende sagt das ja nichts über sie aus.

Wie der Titel schon nahelegt, geht es auf dem Album oft um Geld. Warum über Geld rappen? Im Grunde hat das ja ziemlich wenig Inhalt, oder?
Ignaz: Ja und das ist vielleicht genau, was an Geld nice ist. Das ist total abstrakt. Du kannst super viel darüber reden, ohne einen Inhalt vermitteln zu müssen. Du kannst Geld auch nur dazu benutzen, um Leute, die dich nicht mögen, neidisch zu machen. (lacht)
Wandl: Lass mal überlegen, was fällt mir noch deepes ein zu Geld?
Ignaz: Zitier mal Karl Marx, bitte.

 
Redet man vielleicht besonders viel über Geld, wenn es einem fehlt?
Ignaz: Das Phänomen kenne ich: Es wird viel gelabert über das, was man gerne hätte. Aber bei uns nicht, nah. Wandl und ich… Gödlife! (lächelt)
Wandl: Wenn man Musik macht, ist der Struggle immer präsent. Es gibt Zeiten, in denen man plötzlich durch ein paar Gigs viel Kohle hat. Da gibt man sich dann das ­Gödlife und lebt für ein paar Wochen wie ein König. Und dann gibt es Zeiten, in ­denen man noch vierzig Euro auf dem ­Konto hat. Geld ist schon ein großes ­Thema, wenn man Musik macht. Das ist ­immer ein ­unsicheres Ding. Auf dem Album ist das auch präsent, das Skit »Euro« ist zum Beispiel eine reale Situation am ­Bankomat gewesen: »Ich bin bald broke.« – »Wie viel?« – »Vierzig Euro.« – »Hmm, vierzig? Cool!« Und von den vierzig Euro haben wir uns dann ­Alkohol gekauft und in der Wohnung am Album gearbeitet. (lacht)
Ignaz: Gönnerisch.

Gönnerisch soll auch dieser Abend sein Ende finden. Die letzten Euros werden am Würstelstand verzockt, dem Wiener Ersatz für fehlende Kioske. Hier setzt man alles auf Käsekrainer, Bier und Manner-Schnitte. An einem Ort wie diesem kann man sich auch die Initialzündung des Projekts »Geld Leben« vorstellen. »Irgendwann bin ich mal besoffen in der Früh nach Hause und habe den Ignaz angerufen«, erzählt Wandl. »Ich meinte damals sinngemäß: ‚Alter, fuck, wir müssen jetzt ein Album machen.‘ Und er nur so: ‚Jaja, passt.‘ Ne Woche später sind wir dann eh schon in meiner Wohnung gesessen und haben Beats durchgehört.« Ich glaube, hier sagt man »Gödlife«. ◘

Foto: Wenzel Burmeier

Dieses Interview erschien in JUICE #172 (hier versandkostenfrei nachbestellen).Cover_172_RZ.indd

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