Common vs. Drake

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COMMONvsDrake

Januar, 2012. Unser Präsident kabbelt sich mit dem Chef eines verabscheuungswürdigen Revolverblatts. Die treuen Zuschauer der Nachrichten blicken gebannt auf den Iran, Syrien, Israel und die USA und mit dem anderen zuckenden Augapfel auf die weltweiten Finanzmärkte und ihr immer magerer wirkendes Portemonnaie.

Keine Zeit für unnötige Streitereien. Schön einen auf New Yorker machen, »Never Not Working«-Shirt anziehen und reinhauen. So sollte es eigentlich sein.

Aber nicht in unserer schönen Jugendkultur namens HipHop. Dem Lebensentwurf der Übertreibung und des erlaubten Angebens. Es gibt neuen Beef. Nicht hier bei uns, in Deutschland haben sich gerade fast alle schrecklich lieb, es wird mit Herzen um sich geworfen, die Labels und Editionen wittern die Fährte und wedeln ganz aufgeregt mit dem Geld-Schwänzchen. Feine Sache.

Wie bereits erwähnt haben wir 2012 und ganz HipHop ist von Zärtlichkeit und Liebe besetzt. Ganz HipHop? Nein. Ein von unbeugsamen Freischärlern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem liebkosenden Eindringlingen Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die anhänglichen Liebes-Legionäre, die als Besatzung in den befestigten Lagern Chicago, Toronto, Virginia Beach und New Orleans liegen.

Es herrscht Streit. Und zwar aus dem Stoff, aus dem jede gute Bühnendichtung gemacht ist: Neid, Eifersucht, gebrochene Herzen, jugendlicher Leichtsinn und leise Anzeichen der Gerascophobie sind die Zutaten, die das Bild des heiteren Beisammensein zerstören.

Das faszinierende an dieser Misshelligkeit ist, dass es sich bei den tragischen Helden um zwei Künstler handelt, die man nicht wirklich in einem Boxring vermuten würde. Kein lallender Trap-King, kein in die Jahre gekommener Golden-Era-Gangsta und auch kein junger Psychopath mit Tilidin-Rezept und serbischer DVD-Sammlung. Nein. Bei den Titelfiguren handelt es sich um Common und Drake.

Das muss man erst mal sacken lassen. Common und Drake. Zwei der zartbesaitetsten Typen, die je das Mic ergriffen haben. In der einen Ecke eine Ikone aus Chicago, der in einer Zeit des größten Gangsta-Rap-Aufschwungs das Rappen über Liebe, zwischenmenschliche Beziehungen und Alltagsthemen salonfähig machte und bis heute ohne Frage zu den Top-10 der besten MCs aller Zeiten gehört. Auf der anderen ein Bub aus Toronto, der trotz Kanada-Swag, Seifenopern-Fame und gesäuselten Gesangspassagen das aktuelle Geschehen beherrscht wie kein anderer.

Für beide gilt: Sie haben coole Freunde, perfekte Bräute, super Karten und mal so wirklich gar keinen Grund Stress zu starten. Doch für den einen ist der Erfolg wohl zu schade und möglicherweise verliert er nun mit nur einer einzigen Textpassage. Es ist wirklich herzzerreißend.

Common. Beim betrachten der beinah makellosen Diskografie fällt dem geschulten Rap-Freund auf, dass er mit neun Alben lediglich ein total egales, drei richtig, richtig gute Dinger, ein im Abgang dann doch extrem starkes und ganze DREI fantastische Klassiker aufweisen kann. Mit Ehrfurcht und Hochachtung sieht man bei fehlerfreien und meisterhaften LPs wie »One Day It’ll All Make Sense«, »Like Water for Chocolate« und »Be« ganz HipHop-like über schreckliche Modesünden, Hippietum und die immer wieder bitter auffallenden rassistischen Äußerungen und anschließenden Erklärungen hinweg. Common ist ein großartiger Rapper, kaum einer steigt so bewandert in die Verses ein, beherrscht seine Stimme so mühelos, zieht konsequent sein Ding durch und verkauft auch noch Platten. Er ist top. Also wieso, Junge?

Drake. Wer den Neujahrsputz startet, aus unerfindlichen Gründen den Hot 97 Live-Stream einschaltet und durch die Wohnung wedelt, der wird merken, dass er in zwei Stunden sicher 14 Songs von oder mit Drake hört. Der Kerl ist Hausstaub. ÜBERALL. Er rappt, er singt. Das eine ziemlich gut, das andere so, dass es trotzdem passt und man sogar mitsummt. Selbst die schnulzigsten Songs. Vier Dudes im Auto, Spliffs, auf dem Weg zur Party, die Playlist springt auf »Doing It Wrong« und erst nach drei Minuten, bei Stevies Mundharmonika fällt dem Fahrer auf: »Äh, haben wir das gerade wirklich bis jetzt gehört«? Befangene Blicke und schön »Lord Knows« anspielen, hat ja keiner gemerkt. Vierzehn Jahre trennen den Kanadier und den Soulquarian aus Chicago voneinander. Demnach hat Drake weniger Alben vorzuweisen, mit »Room for Improvement« and »Comeback Season«, dem bahnbrechenden Mixtape »So Far So Gone«, dem grandiosen »Thank Me Later« und dem Superwurf »Take Care« erschreckend heftige Sachen herausgebracht, ist sich ebenfalls treu und geschmeidig geblieben UND hat Platten verkauft. Mit Ehrfurcht und Hochachtung sehen wir bei dem Talent ganz HipHop-like über die immergleichen Heulereien, die Bill Cosby-Sweater und das voll und ganz unnötige und peinliche Waffengelaber hinweg. Drake ist ein Wahnsinns-Rapper.

Thematisch sind sich beide, bis auf den Engtanz mit exotischen Tänzerinnen, dem Drug-Talk auf der nordischen Seite und dem Pro Black und den »Power To The People«-Ansagen auf der anderen relativ nahe. Beide sind ziemlich bedeutungslose Schauspieler. Beide verfügen über unzählige Songs über Gerade-noch-, Schon-lange-nicht-mehr- und Du-denkst-es-zwar-aber-bist-es-aber-voll-nicht-Freundinnen. Der eine mit Göttinnen wie Erykah Badu der andere mit Säuen wie Rhianna. Der eine mit James Poyser, Questlove, No. I.D., Kanye und Dilla. Der andere mit »40«, The Dream, Jamie XX und DJ Khaled. Jeder nach seiner Façon. Jeder, wie er will.

Es verbinden sie sogar die familiären Begebenheiten. Jeweils die relativ gut betuchte Mutter und der etwas durchgeknallte Vater. Common hat dies jedoch hautnah und nicht nur in den romantischen Ferien erlebt. Filmreife Kidnap-Story inklusive. Den Hood-Vergleich, wenn man ihn denn ziehen möchte oder wertschätzt, würde Common jedenfalls gewinnen.

Eigentlich wäre ein gemeinsamer Track angebracht, zusammen mit einem Video, in dem Garnelen-Spieße gegrillt werden, Honig auf Satin-Laken tropft und Duftkerzen-Kränze am Strand mit kessem Blick zum Mäuschen ausgehaucht werden. Gäbe es nicht die Sticheleien und teils berechtigten Biting-Vorwürfe von Commons Langzeit-Kumpel Kanye West. Drakes stilistischer Vater, der MC, der Drakes Taten und Gehabe erst ermöglichte, wirft Drizzy und seinem Hausproduzent »40« vor, dass die gesamte Blaupause des »Toronto-Sounds« auf Kanyes Produktionen aus der »808s & Heartbreak« Zeit stammt. Hier sollte man vor allem den Song »Say You Will« erwähnen. Doch dies ist eine andere Geschichte.


Common – Sweet von BlakMusicFirst

Es geht um Common und Drake. Die einstige Häkel-Mütze des Rap gegen den Anführer der Spa-Generation. Wieso? Drake hält ja extrem viel von sich selbst, zieht seinen Homie-Kreis sehr klein und betont sehr oft, dass ihm keiner was anhaben kann. Gegen Kanye würde er mit Sicherheit nie etwas Drastisches sagen, da er dort einfach den Kürzeren zieht. Common befand sich in einer ähnlichen Situation – deutlich älter, in mehreren Forbes-Listen, Geld, Frauen, Grammys, Sarah Palin-Props, ein Album mit Nas in Planung. Also was? Ganz nach dem Motto »Niemand kann mich aufhalten, nur die Weibaz!« ist es wohl tatsächlich Drakes Liason mit einem weiblichen Tennis Star, die Common die Häkelschnur platzen lässt. Die beiden sind Lochschwager mit Serena Williams. Beide mögen Mädels mit prallen Hintern und haben auch nie einen Hehl draus gemacht. Da schmerzt es schon, wenn die Verflossene mit einem jüngeren durch die Laken hüpft. Aber Common sollte doch wissen, dass das Spiel so läuft. Lack, das is ne Trennung, ya! Tut weh, aber ist nun mal so.

Wir können uns nicht erklären, wieso er so durchdreht. Alles wegen einer Frau. Zugegeben, »Sweet« ist ein unfassbares Brett: Finsterer Beat, schöne Verses. Mit »When I drop a single, it’s really like a pair of Air Jordans, important to the culture.« sogar die Verbindung zu den jungen politikverdrossenen Trotteln hergestellt, die lieber eine Mahnung ihres Mieters in Kauf nehmen, so lange ein paar Retros vor der versifften Matratze liegen. »The Dreamer/The Believer« ist ein wunderbares Album: dem Alter entsprechend, trotzdem fresh, saugut produziert, verdammt gut gerappt. Alles gut. Durchaus, 80.000 in der ersten Woche sind nach den letzten Goldauszeichnungen für »Be« und »Finding Forever« nicht viel, aber du hast doch genug Kohle. Du bist einer der wenigen Conscious Rapper, der wirklich krass Ballen kann. Als wärst du in Paris. Die beleidigten Anspielungen auf »Sweet« waren doch okay. Drake stichelt in »Stay Schemin« sehr gekonnt, extrem lässig und fast höflich zurück. Wieso Common? Also wieso säufst du dir einen an, schnappst dir das Instrumental und haust ungare Zeilen raus, von denen lediglich zwei punchen? WARUM? Im Outro machst du dann auch noch das No-Go und erklärst die Zeilen! Wir haben schon verstanden, dass es um Drake geht. Geschenkt.

Wir als Langzeit-Fans fühlen uns bei derartigen Parts beinahe persönlich beleidigt. Das ist eine Steilvorlage, Kontern leicht gemacht. Klar hat jeder mal Geburtstag, wird älter und ein Dope-MC, ist ein Dope-MC, egal ob 17 oder 47. Du jedoch, klingst dort wirklich wie ein betrunkener Altherren-Fußballer, der die Kids aus der A-Jugend anschnautzt. Und dann wieder dieses dämliche »Schwarz-Weiss ist doof«-Gelaber. Es läuft doch, mach dich locker. Möglicherweise wird versucht, Drake komplett aus der Reserve zu locken. Wahrscheinlicher sind vermutlich der verletzte Stolz und der Alkohol.

Die ganz jungen unter uns dürfen allerdings nicht vergessen, dass Drake zwar über ein beachtliches Punchline-Reportoire verfügt, Common jedoch eines der bedeutendsten Battles der Rap-Geschichte für sich behaupten konnte. In einer Zeit, in der jeder und deine Mutter Angst vor den Jungs aus Compton hatte, besiegte Common Ice Cube mit »The Bitch in Yoo!«. Der Song befindet sich in den Top 5 der Favorite-Diss-Songs eurer großen Brüder. Gewonnen, gegen einen Gegner, der selbst mit »No Vasline« einen der lustigsten und mutigsten Beleidigungs-Tracks der Welt verfasste. Weiterhin interessant bleibt, dass sich Pusha T, gleichermaßen seit jeher Inspirationsquelle für Drake, in amüsanter Regelmäßigkeit Freestyles und subtile Zeilen in Richtung Kanada schickt. Hier hielt sich Drizzy allerdings zurück. Nahelegen möchte man ihm diese lyrische Konfrontation auch nicht wirklich.

Common, Pusha T, Kanye. Sie alle haben ein Problem mit dem Young Money-Zugpferd. Drake kann punchen, sehr gut über den Beat tänzeln und besitzt einen erfrischenden Humor. Bis auf den fatalen Part auf dem »Stay Schemin« Remix ist das G.O.O.D. Music-Camp der Young Money AG textlich im klassischen Sinne überlegen. Drake ist allerdings der junge Mann der Stunde und – von Kanye mal abgesehen – der relevantere Künstler mit kreischender Teenager-Armee im Rücken. Tote haben wir bei dieser Zankerei glücklicherweise nicht zu erwarten, auch wenn Aubrey durch »Baby« und Lil Wayne strapazierfähige Jungs mit Nahkampferfahrung hinter sich weiß. Da sowohl Common als auch Drake Ladies-Men sind, auf ihr Äußeres achten und die Kamera lieben, wird es auch keine blauen Augen, ja nicht mal Kratzspuren der manikürten Fingernägel geben. Bei dem einen kann man ja nicht mal an den Haaren ziehen. Es sind COMMON UND DRAKE, verdammt. Allein die Tatsache, dass sich diese Jungs gegenseitig vorwerfen, eine Pussy zu sein, ist so hanebüchen und lächerlich.


Serena Williams „I WILL Kill YOU“ AND… von wbjf

Also wir warten wir auf den Konter von Drake und je nachdem, wie schwerwiegend er ausfällt, auf die Reaktionen von Common, Pusha T oder Serena Williams. Letztere würde beide wohl mit einem einzigen Schwinger dem Erdboden gleichmachen.

(nn)

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