Chefket: »Ich musste rausfinden, ob ich wirklich so ein Freak bin und alles okay mit mir ist.«

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Vielleicht ist Chefket wirklich der »glücklichste Rapper der Welt«, zumindest aber eines der größten Talente, die Rapdeutschland zu bieten hat. Auch wenn sich seine Fähigkeit als klassischer MC, der alle Disziplinen beherrscht, noch immer nicht im Szene-Status des ewigen Newcomers widerspiegelt. Von seinem Ruf als reiner Battle-MC hat sich Chefket durch starkes Songwriting und die »Identitäter«-EP längst emanzipiert und mit seinem Crossover-Ansatz als singender Rapper auch endlich ins Spotlight der Majors und Radio­anstalten gespielt. Chefket ist ein begnadeter Live-MC, der sich immer noch nicht zu ­schade ist, spontan in der Freestyle-Cypher am Späti-Corner einzugreifen, und kurz darauf vor 20.000 Menschen das Marteria-Heimspiel in Rostock zu eröffnen. Sein zweites Album »Nachtmensch«, das mit Brudi und Mentor Farhot entstand, ist endlich der Langspieler, der seine Identitätssuche in einem stimmigen Gesamtwerk bündelt. Ein Gespräch mit dem ewigen Getrieben über die Anfänge in der schwäbischen Einöde, Blues-Einflüsse und seine Vergangenheit als Battlerapper.

Auf »Rap & Soul« packst du deine komplette musikalische Sozialisation in einen Song. Was war zuerst da: Rap oder Soul?
Bei mir hat alles mit Beatboxing angefangen. (beginnt zu beatboxen) Wir saßen damals in einer hinteren Gasse, direkt an der Stadtmauer, umgeben von Fachwerkhäusern. Da haben wir uns immer versteckt, um zu kiffen. Als jemand anfing zu beatboxen, dachte ich: Wow, das kenne ich nur von den Fat Boys. Da haben wir gemerkt, man braucht eigentlich nichts: kein Equipment, Studio, Label, Verlag, Management. Man braucht nur einen Beat und gute Reime.

 
Gab es denn so was wie eine HipHop-Szene in Heidenheim?
Ich war der einzige Rapper in der Stadt. Der erste Deutschrap-Song, den ich mitbekam, war »Die da« von den Fantas. Ich fand es so krass, wie sich die Story des Songs am Ende auflöst. Aber eigentlich waren es erst A Tribe Called Quest und die Native-Tongue-Bewegung, die mich richtig abgeholt hat. Ich hatte diesen serbischen Kumpel, Boris, ein Maler und Lackierer mit Dreadlocks bis zum Arsch. Er war Sprüher, ist mit 13 Jahren von zu Hause abgehauen und von Heim zu Heim getingelt. Bei ihm habe ich alles gelernt: Trommeln und Joints drehen.

Was damals in der schwäbischen Kleinstadt bestimmt krass rebellisch war.
Boris wohnte in einem abgefuckten alten Fabrikgebäude mit mehreren Künstlern, wo ich meine ersten Kassetten aufnahm, und hatte dort ganz viele Platten rumstehen, auf die ich rappte: Trip-Hop, Ninja-Tunes-Sachen, alles mögliche. Da war auch sehr viel Reggae dabei: Peter Tosh, Black Uhuru, Pablo Moses. Die allererste Kassette, die ich mit zehn besaß, war von Body Count und begann so: »Fuck, Dick, Slut, Bitch. Take the tape out now, this is not a pop album. Suck my motherfucking dick« – einfach nur die härtesten Kraftausdrücke. In der Schule haben wir dann alles mit »Motherfuck« vollgemalt und nur noch Scheiße gebaut. Ich war ein richtig schlechter Einfluss.

Und der Klassenclown?
Übertrieben, ich bin überall rausgeflogen. Aber die Noten waren cool. Irgendwann kam halt diese Mucke, wo Dinge berichtet wurden, die ich auch erzählen wollte. Ich habe mich immer gefragt: Warum erzählt keiner etwas Positives? Da kam eine Q-Tip-Stimme genau richtig. Meine erste CD war dann »Things Fall Apart« von The Roots, die ich mir nur wegen dem Cover kaufte. Da war dann Common drauf und kurze Zeit später erschien »Back On Both Sides«.

Mos Def bot wahrscheinlich mehr Identi­fi­kationsfläche für dich als türkisch-schwäbischen Mittelständler im Vergleich zu Ice-T?
Ich fand die Gangster-Geschichten schon immer richtig und wichtig. Mir hat da nur eine Message gefehlt. Also habe ich angefangen, auf Englisch zu schreiben. Mit 17 hatte ich dann meine erste Band, Nil. Alle spielten ihre Instrumente seit sie fünf waren, und ich kam da rein und konnte gar nichts, außer ein bisschen rappen. Das waren Rich Kids mit krassen Instrumenten und ich hatte nicht mal ein Mic. Wir spielten aber damals schon Funk, Jazz, Soul und Blues.

 
Wenn das zu den Crossover-Zeiten Ende der Neunzigerjahre war, hattet ihr bestimmt auch einen DJ.
Nein. (lacht) Aber der Drummer war immer am Frickeln und spielte viel zu jazzig. Ich musste ihm per Beatbox zeigen, wie die Snare zu klingen hat. Als die anderen Bandmitglieder studieren wollten und die Musik nicht so ernst nahmen, habe ich mir einen Computer gekauft und mit einem gecrackten Reason und Cool Edit Pro angefangen, Beats zu bauen. Meine Mama kaufte mir dann irgendwann in der Türkei ein 20-Euro-Mic.

Du hast 2008 das »End Of The Weak« gewonnen, eine Art Vorreitertunier der heutigen Battleformate. Ab wann wurde das Battlen für dich als Rapper zu einer richtigen Disziplin?
In unserer Nachbarstadt Gingen fand ein Jugendhaus-Rap-Battle statt. Da gab es viele Türken, und die haben mich übertrieben gefeiert. In der Jury saß aber ein Kumpel von dem Vater eines Rappers. Und als der dann gewann, begann die Crowd, mit Sachen nach der Jury zu werfen. Es gab sogar Verletzte. Ich bin auf die Bühne und hab geschlichtet, so: »Ey, das ist kein HipHop, lass uns friedlich sein«. (lacht) Ich habe eher immer eine Plattform gesucht, wo ich etwas aussagen kann, und wollte nicht bloß battlen. Auch später bei »Feuer über Deutschland 3«: Das war eine Veranstaltung, die nichts mit Musik zu tun hatte. Alle spulten nur verkopft ihre Texte ab. Dann kam ich, hab gebeatboxt, Amewu spielte Querflöte und freestylte. Alle haben uns angeschaut, als wären wir Hippie-Aliens: »Cypher, was ist das?«

Das war die Hochphase des Punchline-Rap, als es nur um Sprüche ging.
Ja, und heute wollen alle wieder HipHop sein. Das ist schon sehr verlogen: Rapper machen auf einmal Trap und nennen es »Rap & Soul«.

Also eigentlich »Trap & Soul«?
So hieß der Arbeitstitel. (Gelächter) Die »End Of The Weak«-Battles waren dann wieder interessant für mich, weil es nicht darum ging, jemanden zu beleidigen. Es liegt nicht in meiner Natur, grundlos zu haten. Wenn ich etwas Hasserfülltes schreibe, müsste mir derjenige schon etwas bedeuten. Ich beschäftige mich doch nicht acht Wochen mit irgendeinem Dude. Das ist voll die Stalkerei. Viele können auch keine Songs schreiben und sind hängengeblieben.

Das Problem haben ja viele Freestyler und Battlerapper.
Iron Solomon zum Beispiel. Auf diesen Underground-Sessions hab ich den so hart gefeiert. Und als ich dann Songs hörte, war ich entsetzt. Ich wünsche jedem Rapper, der es wirklich ernst meint, den Sprung von diesem Battle-Ding weg zu schaffen. Hol dir deinen Fame, aber dann mach was draus. Schreib Songs, spiel live, zeig dein Weltbild. Arbeite an dir, such dir ein Team. Mach Action, geh auf Tour. Nur das dauert halt Jahre.

Aus Songwriter-Sicht nimmst du aber immer noch diese Battle-Perspektive ein.
Eigentlich feiere ich mich lieber selbst. Dendemann hat das mal gesagt und das ist bei mir hängengeblieben. Wenn ich mich traue, mich zu feiern, bringt das vielleicht auch andere dazu, sich zu feiern. Mich motiviert es, andere Rapper zu studieren. Wenn ich Eminem höre, weiß ich, dass es noch so viel gibt, woran ich arbeiten kann.

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