Casper – Lang Lebe Der Tod // Review

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(Columbia/Sony Music)

Wertung: Fünf Kronen

»Deine Uzi wiegt ne Tonne, Seelen 21 Gramm«, raunzt Cas auf »Alles ist erleuchtet« – und irgendwo zwischen diesen beiden Maßwerten oszilliert auch das Schwergewicht dieser Platte, an dem Casper zwischenzeitlich fast zerbrochen wäre. Während er seine ersten Alben noch ansatzweise unbedarft als junger Rap-Pionier in Bielefeld einge­spuckt hat und die letzten Longplayer auf einem (un)natürlichen High von Zuspruch und Euphorie entstanden sind, hat ihm im letzten Jahr das Bewusstsein über all das Erlebte kurzerhand die Beine weggeknüppelt. Platte angekündigt, Platte verschoben – und das auf unbestimmte Zeit. Aber wie wir seit einigen Wochen wissen: Diese Zeit – Caspers Zeit – ist jetzt. »Lang lebe der Tod« fungiert eindeutig als Dokument für den fortgeschrittenen Reifeprozess, den er seit dem Wahnsinn ab »XOXO« haltlos durchlaufen hat – und dessen verspätete Aufarbeitung jetzt erst seine künst­lerische Entsprechung fin­det. So ist der eingangs erwähnte Track »Alles ist erleuchtet« seine persönliche Abrechnung mit all dem Irrsinn zwischen Social-Media- und Glamourwelt. »Wo das Licht am hellsten leuchtet werden Schatten immer länger/Den meisten Platz findet Hass im Gedränge«, rappt Casper darauf und bahnt sich, mit einem lyrischen Lichtschwert bewaffnet, einen Weg durch eben jene Hassmenschenansammlungen bis auf die roten Teppiche dieser fremdbeschämenden Glitzerwelt, um den Spotlight-­Kulturträgern einen Spiegel vorzuhalten bis sie erblinden. Recht so. Überhaupt: Casper gibt sich in Songs wie der alubehüteten Wutbürgerabrechnung »Morgellon« und dem ehrlich misanthropischen »Wo die wilden Maden graben« gesellschaftskritisch wie selten, gleichzeitig tun sich auf dem letzten Albumdrittel aber auch höllentorgroße und besorgniserregende Abgründe in seine rissige Seele auf. So lädt er auf dem be­drückenden »Deborah« in einem kargen musikalischen Klangraum zum Rendez­vous mit der Depression: nur Kerzenlicht, vertontes Blei und die tiefe Auseinandersetzung mit dem inneren Schwarz. Finale und (tieftrauriger) Höhepunkt des Albums: das epische »Flackern, flimmern«, einerseits vertonter Kampf gegen das widerwillige Böse, andererseits Ode für die Liebe bis in den Tod. Was bleibt, ist ein faszinierendes Album voller Bedeutung. Und die Erkenntnis, dass alles endet. Aber nie die Musik.

https://www.youtube.com/watch?v=wpGbKwyi96Q

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