Bushido: »Sonnencreme? Geiler Bauch, Titten, fertig. Ganz einfach« // #20JahreJUICE

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Wie siehst du die momentane Situation im Hinblick auf Fler, mit dem du ja viel zusammen gemacht hast?
Fler ist der einzige Mensch aus dem gesamten Aggro-Umfeld, der jemals mein Freund war. Wir haben uns im Heim kennen gelernt, vor der Musik, und so etwas verbindet natürlich. Aber ich habe meine Entscheidung getroffen und er hat seine Entscheidung getroffen. Ich bin nicht sein Erziehungsberechtiger. Ich habe überhaupt keine Bindung zu Fler. Meine einzigen Verbindungen sind die zu meinen Fans, meiner Plattenfirma, meinen Freunden und zu meinem Anwalt.

Und zu deiner Mutter, oder?
Absolut, Alter. Meine Mutter ist das Allerheiligste auf der ganzen Welt. Ich würde mir eher meine Hand abhacken, bevor ich zulassen würde, dass meiner Mutter auch nur ein Haar ausgerissen wird. Ich bin jetzt gerade 26 Jahre alt geworden und wohne immer noch bei meiner Mutter. Viele Leute sind ja so primitiv, dass sie meinen, sich darüber lustig machen zu müssen, dass dieser krasse Gangsta-Rapper aus Berlin bei seiner Mutter wohnt. Aber das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun: Nur weil es in Deutschland üblich ist, mit 18 seinen Führerschein zu machen und von zu Hause auszuziehen, und ihr kein Problem damit habt, euch gegenseitig „Hurensohn“ zu nennen, heißt das nicht, dass ich nicht mehr bei meiner Mutter wohnen darf. Ich bleibe so lange bei meiner Mutter, wie ich kann. Und wenn ich irgendwann so viel Geld habe, dass ich mir ein Haus kaufen kann, dann zieht da meine Mutter mit ein. Und wenn sie mal Oma wird, dann soll sie auch mit meinen Kindern rumhängen.

Wie hat deine Mutter damals reagiert, als du die Schule abgebrochen hast?
Sie meinte nur, dass ich auch ohne Abi ihr Sohn sei. Überhaupt war sie immer am Start: Ob ich Liebeskummer hatte oder die Kripo eine Scheiß-Hausdurchsuchung bei mir gemacht hat. Hätte sie sich nicht genau so verhalten, dann würde ich heute nicht hier sitzen – und schon allein deswegen gehört ihr mein ganzes Leben. Ich gebe ihr zum Beispiel auch übertrieben viel Geld: Von dem, was ich bislang mit der Musik verdient habe, habe ich einen Großteil ihr gegeben. Sie arbeitet ja in einer Bäckerei und wenn die Leute rausfinden, dass sie die Mutter von Bushido ist, und sie im Laden nach einem Autogramm von mir fragen, dann ist das für sie das Größte. Und wenn sie mich im Fernsehen sieht, fängt sie schon fast an zu weinen. Für sie ist das unvorstellbar!

Kennst du deinen Vater eigentlich?
Nein. Ich weiß, dass er in Düsseldorf wohnt. Aber mehr nicht.

Nie überlegt, hinzufahren?
Doch, denn wenn du deinen Vater noch nie gesehen hast, hast du natürlich manchmal das Bedürfnis, ihn kennen zu lernen. Aber letztlich ist er das Spritgeld nicht wert, das ich verbrauchen würde, um nach Düsseldorf zu fahren. Er hat mich und meine Mutter damals im Stich gelassen. Und ich weiß, dass meine Mutter keine Schlampe ist, er hatte also keinen Grund, sie zu verlassen. Im Grunde ist ja auch er das Opfer: Er hat einen Sohn verloren und er hat seine Frau verloren. Soll er doch sein Scheißleben führen, das er da hat.

Trotzdem nennst du dich auf „Teufelskreis“ einen „Jungen, dem eigentlich sein Vater fehlt“…
Manchmal ist es ja auch so. Ich kann einfach nicht immer so tun, als wäre ich nur ein Rapper, der nur bumsen will. Weißt du, ich habe nie von meinem Vater auf die Fresse bekommen, weil er mich beim Autoklauen erwischt hat, und ich bin nie mit meinem Vater zum Angeln gegangen. Alle Männer, die ich kenne, sind entweder von meiner Plattenfirma oder
die Väter von meinen Freunden.

Hast du trotzdem irgendeine Beziehung zu Tunesien, wo dein Vater herkommt?
Leider noch nicht. Aber ich habe mir fest vorgenommen, dass ich mir nach dem Album einen fetten 7er hole und dann mit Chaker nach Tunesien fahre und mir Tunesien zeigen lasse. Ich meine, ich bin nicht Afrob und will jetzt auch nicht rumheulen, dass ich hier ein Ausländer bin und dort auch. Dann bin ich halt Ausländer. Und? Aber wenn mir irgendwelche Freunde erzählen, dass sie wieder sechs Wochen im Libanon bei ihrer Familie waren, denke ich mir schon manchmal: Mann, ich war nicht sechs Wochen bei meiner Familie in Tunesien, obwohl das bestimmt ein voll schönes Land ist. Aber das kommt noch, Alter, ganz bestimmt.

Stellst sich dir diese Nationalitätenfrage überhaupt?
Das ist mir scheißegal. Ich bin ein Ausländer, der in Deutschland lebt, der nicht abgeschoben werden kann, kein Schweinefleisch isst, zum Glück von Hartz IV nicht betroffen ist und SPD wählt. Das ist alles, was ich dazu sagen kann. Solange ich gesund bin und Geld habe, könnte ich von mir aus auch Chinese sein. Obwohl, Chinese vielleicht nicht, denn die haben kleine Duweißtschon (lacht).

Warum, denkst du, haben die Leute eigentlich gerade bei dir schon immer diese „Ist er wirklich so hart“-Diskussion geführt? Und: Interessiert dich die überhaupt?
Ob mich das interessiert? Na ja, so wie mich das interessiert, was in der Zeitung steht, vielleicht. Katie Price wieder Titten operiert? Aha. Hertha wieder verloren? Hm. SPD wieder Prozente verloren? Okay. Genau so interessiert mich das. Ob ich eine Theorie dafür habe? Nein, ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht ist es so, dass die Leute, die sagen, dass sie mir das alles nicht abnehmen, in Wahrheit nur Angst davor haben, dass es wirklich so sein könnte, verstehst du? Da kommt plötzlich so ein Typ, der nicht davon rappt, dass er jeden Tag zehn Kilo Gras raucht und dass er morgen kein Geld mehr für seine Miete hat. Und schon labern mich alle voll, warum ich so was erzählen muss. Aber da gab’s keine Marketingstrategie, ich habe keine Maske bekommen, hinter der ich jetzt sitze und so tue, als wäre ich der krasse Ghettoman. Ich mache einfach nur das, was ich immer machen wollte.

Aber der Plan, damit Geld zu verdienen, war trotzdem immer da, oder?
Ich habe immer gesagt: Wenn ich Musik mache, dann will ich etwas bewegen und den Fans etwas mitgeben. Aber andererseits will ich auch so viel Geld verdienen, dass ich mich totfressen kann. Ganz normal, Alter. Wenn du mit deiner Immobilienfirma eine Million gemacht hast, gratulieren dir ja auch alle und alle Frauen wollen mit dir bumsen. Aber als Rapper darfst du nicht erfolgreich sein und nicht gut aussehen, sondern nur deine komischen Vorstellungen pflegen. Aber ich will in die JUICE, ich will zu Viva, ich will zu MN. Ich will das haben, denn für diesen Scheiß habe ich mein Leben weggeworfen. Und wenn ich das nicht bekomme, dann habe ich’s verkackt.

Ist der 25.10., der Tag an dem „Electro Ghetto“ erscheint, also auch ein Test für dich?
Auf jeden Fall. Denn auch wenn mir jetzt alle bei der Plattenfirma sagen, wie gut sie alles finden, heißt das noch lange nicht, dass auch irgend jemand meine Platte kauft. Dass sie die Platte gut finden, haben sie bestimmt auch bei irgendwelchen Flops gesagt, denn andernfalls hätten sie sie wohl nicht rausgebracht. Aber ich will, dass sich meine Platte verkauft, ich will, dass sie ein Erfolg wird. Ich meine, Erfolg ist natürlich relativ: Wenn ich an einem Wochenende nicht 15 Eulen bumse, bin ich nicht zufrieden, während für meinen Anwalt wahrscheinlich drei schon krass wären. Aber die Scheiße muss sich auf jeden Fall lohnen, in jeder Hinsicht. Ich will kein Mitleid, weil ich angeblich irgendwo verstoßen wurde und jetzt so verloren bin. Ich will der Erste sein, überall, ganz einfach.

Gibt es Plan B?
Nein, ich halte nichts von B-Plänen. Genauso wenig wie ich von B-Movies etwas halte: Entweder ist es High Class und ein Blockbuster, oder ich lasse es gleich bleiben. Ob mein Album wirklich High Class ist, will ich nicht beurteilen, das wird sich jetzt zeigen. Zumindest aber denke ich, dass ich ein Album geschaffen habe, auf dem du immer ein Lied gut finden wirst. Egal, ob du es geil findest, wenn ich in „Gangbang“ mit Saad und Hengzt über die Orgien rappe, die wir hier immer feiern, oder ob du der Typ bist, der erst bei Cassandra den weichen Punkt findet, der in uns allen steckt. Ein Track ist immer dabei – und darauf bin ich ein bisschen stolz. Wenn du aus einer aggressiven Szene kommst – und Aggro Berlin war natürlich etwas Aggressives – und ziemlich viel über Kokain und Gewalt gerappt hast, musst du aufpassen, dass du nicht den zweiten Teil von etwas machst, das schon einmal da war. „Electro Ghetto“ ist zum Beispiel viel persönlicher als „Bordstein“. Ich habe mir wieder mehr selbst zugehört und aufgeschrieben, was ich zu verarbeiten habe, ein bisschen so wie damals bei „King Of Kingz“. „Ich mache aus einem Blatt Papier eine Platte aus Gold.“ Bam. Das ist in mir und das schreibe ich auf.

Du hast vor kurzem mit Ilan einen Remix zu Rammsteins „Amerika“ aufgenommen, das ja ein Amerika-kritischer Song ist, und auch „Stupid White Men“ auf „Bordstein“ wendet sich allgemein gegen Kriegstreiberei. Bushido, ein politischer Rapper? Ein politischer Mensch?
Was „Amerika“ angeht: Das habe ich mir, ehrlich gesagt, einmal kurz angehört und dann in zehn Minuten was hingeschrieben. Ich bin auch kein Robin Hood, diese Last will ich mir nicht auferlegen. Ich kämpfe für meinen Arsch. Ich kämpfe dafür, dass ich das meiste Geld bekomme. Und ich kämpfe dafür, dass ich meiner Mutter alles wiedergeben kann, was sie mir gegeben hat. Wenn ich dafür Bush auf die Fresse hauen muss, dann mache ich das. Aber ich bin der Letzte, der sich als politisch einstufen würde. Ich habe natürlich auch meine Augen, ich lese Zeitung und schaue mir oft die Bundestagsdebatten auf Phoenix an. Aber wenn ich rappe, will ich das möglichst raushalten. Wenn ich meine Freundin bumse und übertrieben geil bin, will ich ja auch nicht hören, was sie heute in der Schule gemacht hat oder wo sie nächste Woche hinfahren will. Danach können wir gerne darüber reden, aber in dem Moment hat das keinen Platz, das wäre alles Zeitverschwendung.

Du wirkst grundsätzlich, als hättest du ein ziemliches Problem mit Zeitverschwendung. Bist du ein hektischer Mensch
Ich bin ein zielstrebiger Mensch. Ich stehe einfach nicht gerne rum und schaue meinem DJ zu, wie er sich die Schuhe zubindet. Da brennt bei mir die Birne durch, das hasse ich. Ich mag es auch nicht, an einem Track noch mal monatelang jede Woche etwas zu ändern, denn ich bin ein sehr moment-orientierter Mensch und ein Track ist für mich wie ein Spiegelbild des Moments, wie ein Foto: Wenn er fertig ist, ist er fertig. Und wenn genug gute Tracks zusammen sind, dann ist das ein Album. Bam, das ist für mich Rap.

Ein gibt da dieses Gerücht, du hättest auch als Ghostwriter für viele Leute aus deinem Umfeld geschrieben. Wahr?
Na ja, du weißt ja. Jedes Gerücht hat einen wahren Kern.

Du hast vorhin darüber gesprochen, dass du früher viel Drogen genommen hast. Ist das immer noch so?
Also, ich versuche das, soweit wie möglich, einzuschränken. Mit Kiffen habe ich aufgehört, als ich 19 war, Trips und Es fressen tue ich sowieso nicht mehr. Ab und zu saufe ich halt, und manchmal ziehe ich vielleicht auch eine Nase mit den Atzen. Aber ich brauche das nicht, um Musik zu machen. Wenn du mal einen Abend besoffen bist, bist du eben besoffen.

Okay, jetzt bitte ein für alle mal die offizielle Begriffsklärung: Was bedeutet „Atze“?
„Atze“ ist eigentlich Berlinerisch für „Bruder“. Aber davon ausgehend ist es ein krass universelles Wort geworden. Wenn du ein cooler Kumpel bist, dann bist du ein Atze. Aber wenn du einfach nur ein Spast bist, dann heißt’s auch: „Kuck mal, der Atze“.

So wie „Mo’fucka“ also?
Knowhwatimsayin‘ (lacht).

Noch so ein Begriff, der ja auch in deinem Albumtitel… … Ghetto?
Genau. Was meinst du damit? Da gibt’s natürlich, genau wie bei „Atze“, auch eine eigentliche Bedeutung. Aber wenn ich „ghetto“ sage, dann ist das für mich so ein Umgangswort wie „cool“ oder „geil“. So: Kuck mal den Arsch da — ghetto, Alter! Oder: Rammstein will mit dir auf Tour gehen — woah, ghetto! Das ist wohl auch so ein Berliner Ding. Wenn man eine etwas bildhaftere Sprache hat, dann entstehen einfach so Dinger wie „Ghetto“, „Ansage“ oder „Optik“.

Apropos Optik: Über dein Verhältnis zu Kool Savas wurde ja immer schon besonders gerne diskutiert.
Ein für alle mal: Ich bin nicht schlecht auf ihn zu sprechen. Savas ist einer der besten Rapper in Deutschland. Ich freue mich darüber, dass wir so jemanden wie ihn in Deutschland haben, und respektiere ihn für das, was er macht. Und wenn er der Meinung ist, dass er mir irgendwann Props geben will, dann würde ich mich darüber freuen. Was er bekommt, hat er sich jedenfalls verdient. Und alles, was er nicht verdient, wird er nicht bekommen.

Ist das immer so?
Ja, davon bin ich überzeugt.

Bist du ein gläubiger Mensch?
Ja, ich glaube an Gott, ich glaube, dass es ihn gibt. Ich bin ja mit dem Islam aufgewachsen, bin beschnitten und bla. Aber ich will nicht darüber richten, ob jetzt ein Christ richtig liegt öder ein Moslem. Das steht mir nicht zu. Jedenfalls glaube ich an Gott. Und wenn er denkt, dass ich ein guter Mensch bin, dann werde ich ins Paradies kommen. Und wenn er denkt, dass ich ein schlechter Mensch bin – und ich habe ja für einen Moslem viel Scheiße gebaut: Ich bin tätowiert, ich habe gestohlen, ich habe getrunken –, dann komme ich in die Hölle. Ich will nur so sein, wie ich bin. Ich habe selbst ein Gefühl in mir, das mir sagt, was Recht ist und was nicht. Danach lebe ich. Und was mit mir passiert, das hat nur Gott zu entscheiden, und die Engel, die wir auf den Schultern tragen.

Fotos: Kasskara

Dieses Interview erschien erstmals als Titelstory in JUICE #69 (November 2004). Weitere Features aus #20JahreJUICE liest du hier.

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