Bushido: »Ich habe zumindest noch nie etwas getan, für das man mich fürchten müsste« // Interview

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Der Titel seines dritten Albums, er kommt heute wie eine Prophezeiung daher. Anis Mohamed ­Youssef Ferchichi ist 2014 ein gehasster wie gefürchteter Mann. Er steht auf der Abschussliste der BILD, Klaus Wowereit und Gregor Gysi sähen ihn am liebsten hinter Gittern und unsere ­Großmütter würden uns wohl vor einem Interview mit diesem Bushido warnen. Gleichzeitig erlebt eben dieser, in der Folge seiner Auseinandersetzung mit seinem ehemals engen Vertrauten Kay One, künstlerisch ein überraschendes Hoch. Seien es seine totdiskutierten Strophen auf dem Debüt­album seines Zöglings Shindy, sein Vers auf Sidos »30/11/80« oder eben »Leben und Tod des Kenneth ­Glöckner«: Bushido rappte so hungrig, so angriffslustig, so on point und nicht zuletzt so humorvoll wie schon lange nicht.

Die Mainstream-Medien mögen ihn ­endgültig als mafiösen Unhold abgestempelt ­haben, aber in der HipHop-Szene spricht man ­endlich wieder über das Schaffen der ­einzigen deutschen Gangsta-Rap-Ikone – und das in erster Linie positiv. Ein Glück. Denn ganz gleich, was für schlimme Finger die Abou-Chakers tatsächlich seien mögen; die Art und Weise, wie das bürgerliche Milieu aktuell im Zusammenhang mit Bushido ­wieder mal alte rassistische Klischees ­auspackt, ist mindestens genauso schwierig. Deswegen war es, trotz turbulenter gemeinsamer Vergangenheit, klar, dass JUICE einer der aufregendsten und widersprüchlichsten Figuren ­Deutschlands eine Plattform bieten will. Alleine, damit ­Bushido endlich die Chance bekommt, sich in anderem Licht zu präsentieren, als in jenem, welches die Schwarzweißmaler von Springer und Konsorten auf ihn werfen. Also sind Staiger und ich ins Berliner Villenviertel Lichterfelde-West gefahren.

In Jogginghose und Adiletten empfängt uns ein völlig relaxter Bushido. Momentan ist er noch alleine zu Hause, seine Frau wird mit den Kindern erst später heimkommen. Zum Ende unseres Gesprächs wird schließlich die älteste Tochter des Ehepaars Ferchichi im Wohnzimmer herumwuseln, vorerst nehmen wir aber alleine mit Bushido auf seiner Couch Platz. Er ist ein guter Gastgeber, bietet uns Wasser und Kaffee an. Wir nehmen dankend an. Die Anspannung, die man spürt, wenn man zum ersten Mal das Haus eines Fremden betritt, verfliegt schnell. In der Folge sprechen wir meist über eigentlich Alltägliches. Den ersten Kindergarten der Tochter, Besuche beim Augenarzt, ­zerbrochene Freundschaften, Wut und den Verlust eines wichtigen Menschen. Alles Dinge, die jeder von uns kennt. Dennoch ist Bushido eben Bushido, und so ganz durchschnittlich ist sein Leben dann doch nicht. Und weil Anis Ferchichi nicht nur am Mic, sondern auch im Gespräch einer der größten Erzähler im ­deutschen Rap-Zirkus ist, waren wir die nächsten zwei Stunden in erster Linie mit dem Zuhören beschäftigt. Offen und ehrlich erzählte Bushido uns, wie es sich anfühlt, gleichermaßen geliebt und gehasst zu ­werden, welche Dämonen ihn plagen und noch vieles mehr. Vom Bambi-Preisträger zum Underdog. Ein Gespräch mit einem, der sich nie etwas sagen ließ.

Deine Musik scheint aktuell bei den unterschiedlichsten Hörern so gut anzukommen, wie seit Jahren nicht. Wie erklärst du dir das?
Ganz ehrlich? Ich bin in den letzten Jahren einfach sehr gemütlich geworden, habe ein wenig Larifari-Musik gemacht und damit mein Geld verdient. Den Großteil meiner Zeit habe ich, teils auch unfreiwillig, mit anderen Dingen verbracht. Dann fing das mit Kay an, was mir natürlich an die Nieren ging, aber auch wirtschaftlich scheiße war. Ich brauchte einen neuen Backup und dann kam der Kontakt zu Elmo und MoTrip. Der Umbruch war sehr umständlich und wir mussten nach der Tour feststellen, dass das mit Elmo als Backup keine Zukunft hat. Dann aber folgte der Bruch zwischen Kay und Shindy, den ich zu diesem Zeitpunkt kaum kannte. Als meine Frau und ich Urlaub auf Costa Rica machten, meldete sich allerdings ein Kumpel und meinte, Shindy wolle mit uns reden. So erfuhren wir, dass Kay auch ihn abgezogen hatte – das hat Shindy ja bereits in ­Interviews erzählt. Wenig später wurde uns klar, dass wir gerne zusammen arbeiten würden. Shindy wurde mein Backup, wir gingen auf Tour und danach machte er sein Album fertig, das ich dann, teilweise echt unfreiwillig, ein wenig promotet habe. Als ich nach diesen Wochen zu Hause saß, fragte ich mich, wie es nun weitergehen soll. Zu dieser Zeit meldeten sich mehrere bekannte Rapper bei mir, die alle gerne »Carlo Coxxx Nutten 3« mit mir gemacht hätten. Ich hätte mir aussuchen können, mit wem ich das mache. Unter anderem habe ich auch mit Fler gesprochen, das war kurz nach dem Tod meiner Mutter. Er kam vorbei, während bei uns im Haus noch getrauert wurde und die ganzen Jungs hier im Wohnzimmer ­saßen. Natürlich haben wir dann erst mal über meine Mutter geredet, aber schnell wurde klar, dass es ihm in erster Linie um Kollegah und Farid Bang und darum, wie er die jetzt endlich richtig ficken würde, ging. Wie gesagt, meine Mutter war gerade ­gestorben und eigentlich hat mich dieser Beef eh nie so richtig interessiert. Kollegah und Farid haben sich einfach ständig über Fler lustig gemacht, der wiederum mit seiner unnachahmlichen Bauern-Art extrem bei den beiden aufgelaufen ist. Ich hielt diese ganze Negativ-Scheiße aber für unklug und wollte mich auch nicht in die direkte ­Konkurrenz zu den beiden begeben. Ich meine, damals kursierten gerade die ganze Zeit diese Möhren-Fotos.

Wenn diese Möhren-Geschichte stimmt, dann grenzt das ja an Vergewaltigung. Diese Geschichte ist alles andere als witzig.
Absolut, das passierte ja total ­unfreiwillig, aber wurde eben immer wieder aufgekocht.

Das kann jedem passieren, oder? Wenn dich fünf Leute packen..
Du brauchst auch nur von einem gepackt werden, wenn der massiv stärker ist als du. Ich finde es auch nicht witzig, aber das zeigt einfach, dass man Fler in dieser Beef-Geschichte nie ernstgenommen hat. Fler hat Songs gemacht, Interviews gegeben und Kollegah und Farid ständig beleidigt – und als Antwort kam immer nur die Möhre. Ich wollte jedenfalls nicht wieder Flers Image ­aufpolieren müssen. Das war mir das Geld nicht wert. Also saß ich weiter rum und wusste nicht weiter. Zu der Zeit näherten Haftbefehl und ich uns auch einander an. Nach dem Remix für das Shindy-Album dachten natürlich sofort alle, ich würden nun »CCN3« mit Haft machen. Natürlich hätte ich das machen können, egal ob mit Fler, Haftbefehl oder auch mit Eko, der mir auch signalisiert hat, dass er Bock auf ein gemeinsames Album hätte. Weil zu der Zeit bereits jeder so tat, als wüsste er, was ich tun würde, entschied ich mich genervt dazu, jetzt erst recht kein »CCN3« aufzunehmen. Ich dachte mir, okay, dann eben wieder ein Soloalbum. Zu der Zeit wurde ich gerade von der Öffentlichkeit krass in die Ecke gedrängt, man beschimpfte mich als Rechtsextremist, Terrorist, Schwulenhasser, und dann kam dazu noch die Mafia-Geschichte im Stern. Dadurch wurde ich trotzig. Ich dachte mir: Wenn euer Bild von mir eh bereits feststeht und ihr sogar einem Schwätzer wie Kay glaubt, dann mache ich eben genau das, was ihr von mir erwartet. Dann werde ich eben mal so richtig asozial. All das, was ich in der Vergangenheit an positiven Dingen getan habe, bedeutet heute also nichts mehr? Recht so. Dann ficke ich jetzt eben einfach jede Mutter, in jedem verdammten Song.

Du wurdest eigentlich immer am meisten respektiert, wenn du ­asozial wurdest. Wie du selbst gesagt hast: Als du anfingst, nett zu sein, fingen die Leute an, dir auf der Nase herumzutanzen.
Absolut. Diese Entwicklung ist verrückt. Ich war lange asozial, keiner wollte was mit mir zu tun haben. Dann wurde ich soft und alle dachten, mit mir könne man ja klarkommen. Heute ist es wiederum so, dass ich nur jemanden beleidigen muss und sofort hat der Angst um sein Leben. Ich finde das krass, aber auch irgendwie gut.

Findest du das wirklich gut? Dieses Image?
Am Anfang war ich sehr skeptisch, aber mittlerweile? Auf jeden Fall. Ich habe mit meiner Frau viel darüber geredet, natürlich hat so ein Image auch Nachteile, gerade wenn man Frau und Kinder hat. Als zum Beispiel der erste Elternabend im Kindergarten meiner Tochter anstand, ging ich natürlich mit, weil mich das interessiert und ich als Vater präsent sein möchte. Einen Tag später rief uns der Kindergarten an, um einen Termin mit uns zu vereinbaren. Das hat mich verwirrt, schließlich hatten wir alle Rechnungen bezahlt und ich hatte sogar als einziger noch Geld gespendet. Ich hätte mich sogar fast gemeldet, um das Kindergartenkonto zu verwalten. Jedenfalls stellte sich dann heraus, dass sich mehrere Leute darüber beschwert hatten, dass Bushidos Tochter in ihren Kindergarten geht. Sie ist ein Jahr und fünf Monate alt, das müsst ihr euch mal vorstellen.

Wolltest du das wirklich? Dass die Leute dich aufgrund der Geschichten fürchten, die man über dich erzählt?
Ich war gestern beim Augenarzt zur Nachkontrolle. Dort im Wartesaal sitzt in der Regel ein älteres Publikum, alles so Leute über 50. Wie die Leute mich da angucken. Ich sage ja immer »Schönen guten Abend«, wenn ich dort ankomme und »Gute Besserung«, wenn ich gehe. Ich will ja signalisieren, dass ich fähig bin, ein sozial korrektes Leben zu führen. Ich verstehe das auch wirklich nicht, ich habe den Leuten doch nie was getan.

Du hast noch nie jemandem etwas getan?
Ich habe zumindest noch nie etwas getan, für das man mich fürchten müsste. Ich habe Leute beleidigt und dafür Strafe gezahlt. Ich wurde wegen anderer Dinge belangt und angeklagt, wobei das meiste davon wieder fallengelassen wurde, aber ich habe nie jemandem etwas Schreckliches getan. Man kann gerne einen Abturn auf meine Texte schieben. Aber warum muss denn eine Frau Protest einlegen, weil meine Tochter in »ihren« Kindergarten geht? Ich bin eigentlich so ein Spießer. Meine Kinder werden so gut erzogen, dass sie hoffentlich nie so werden wie viele Leute in meinem Umfeld und irgendwann Menschen als Nutten beschimpfen.

Ist der Ruf, den Arafat hat, eigentlich hilfreich für Geschäfte?
Das kommt drauf an. Die Dinge, die der Stern verbreitet hat, sind für wirklich wichtige Geschäfte eher hinderlich. Ich habe seitdem große Probleme mit Banken und so weiter.

Die Leuten haben tatsächlich Angst vor euch.
Eine Zeit lang konnte ich darüber ja lächeln. Wir hatten eine ruhige Zeit. Kein Alkohol, keine Drogen, keine Weiber, Arafat und ich waren immer zu Hause, haben oft telefoniert, uns vielleicht mal zum Essen getroffen. ­Unser Leben war so ruhig geworden, dass wir eigentlich dachten, wir würden echt korrekt leben. Und jetzt auf einmal haben die Leute Angst. Warum?

Das hat schon die Stern-Geschichte ausgelöst.
Die hat das auf jeden Fall explodieren lassen. Eigentlich ist das alles ja im HipHop ganz legitim. Du weißt, jeder Rapper hat sein Camp und geht davon aus, dass er und seine Jungs die stärksten sind. Das ist nichts Neues. Dann stiegen arabische Familien und Rocker ein. Bei uns hat das aber mittlerweile krasse Ausmaße angenommen. Die Leuten rufen bei Konzerten sogar Aris Namen.

Er ist eben mittlerweile eine öffentliche Person.
Das sagt die BILD auch immer wieder, wenn wir versuchen, sie abzumahnen. Aber er hält sich mittlerweile auch mit Absicht aus ­gewissen Dingen raus. Im »Mitten in der Nacht«-Video habe ich ja die ganzen Hells Angels, Ari wollte da aber nicht mit ­auftauchen.

Warum hast du die Angels eigentlich mit im Video?
Das sind Kumpels von uns, sehr gute Freunde. Außerdem wird sich über einen Move wie diesen der eine oder ­andere ärgern. Eine starke Partei führt immer ­automatisch zu einer Opposition. Aber wenn dann plötzlich klar wird, dass das gar nicht zwangsläufig so sein muss und wir und die Angels sehr gut miteinander auskommen, wird auch einigen Leuten der Wind aus den Segeln genommen, die meinen, Welle ­machen zu können.

Um noch mal auf Kay zurückzukommen. Wie sehr bist du persönlich von ihm enttäuscht?
Eine Zeitlang war ich sehr enttäuscht. Schließlich war er mal einer meiner besten Freunde. Das war aber schon ungefähr zehn Monate, bevor er schließlich ­abgehauen ist, gegessen. Das fing damit an, dass ich meine Frau kennenlernte und ziemlich häuslich wurde. Ich ging nicht mehr auf Partys und unsere Schnittstellen wurden immer kleiner. Das war auch okay, er zog weiter mit Arafat um die Häuser. Aber irgendwann bekam ich so ein Bauchgefühl, das mir sagte: Der Typ ist ’ne Ratte. Er wurde einfach mit der Zeit immer komischer, versuchte Arafat und mich gegeneinander auszuspielen und erzählte uns schließlich, ein Anwalt habe ihm erzählt, sein Vertrag sei scheiße. Arafat blieb während der ganzen Diskussion sehr entspannt, er wollte das Problem schlichten. Ich hingegen hätte Kay am liebsten ins Gesicht gespuckt. Komplett eskalierte es, als die Release-Party zu »Prince of Belvedair« im P1 in München anstand. In derselben Woche wurde bei meiner Mutter der Krebs wiederentdeckt. Sie musste in einem Mannheimer Krankenhaus an der Wirbelsäule notoperiert werden, weil sie sonst durch die Metastasen eine Querschnittslähmung hätte erleiden können. Eigentlich hatte ich gar keinen Bock, nach München zu fahren, aber Arafat kam mir auf die »Bruder, bitte tu es für mich«-Tour. Das ist dann so, als würde deine Mutter etwas von dir wollen, das kannst du einfach nicht ablehnen. Also fuhr ich zumindest für ein Abendessen mit Kay, Mario Winans, Emory und Olliwood nach München. Ich kannte diese ganzen Typen überhaupt nicht. Das war nur ein paar Tage, nachdem Kay seinen Vertrag mit uns verlängert hatte, mit dem er pro verkaufter CD vier Euro verdient hat.

Eigentlich ein sehr guter Vertrag.
Eben. Aber eine Woche nach dieser Release-Party war er einfach weg. Ich rief an besagtem Tag Arafat an. Er nahm nicht ab, dabei geht er bei mir eigentlich immer ans Telefon. Ich musste also davon ausgehen, es sei etwas passiert, vielleicht hatte man ihn verhaftet. Ein paar Stunden später rief er mich dann doch zurück und erklärte mir, Kay habe ihm eine SMS geschrieben und erklärt, er sei abgehauen, weil ich mich ihm und seinem Vater gegenüber respektlos verhalten habe. Nach tausenden Telefonaten erfuhren wir dann irgendwann, dass seine Anwälte den Vertrag mit uns für unwirksam erklärt hatten. Angeblich hätte Arafat ihn zur Unterschrift gezwungen.

Wie kommt es, dass du immer wieder Feuer und Flamme für Typen bist, die dich am Ende enttäuschen?
Abgeturnt wurde ich am Ende immer­ ­­da­durch, dass diese Jungs sich irgendwann einbilden, sie könnten es genauso gut oder sogar besser als ich. Nimm zum Beispiel Saad. Drei Wochen nachdem ich dafür gesorgt hatte, dass Baba Saad aus Syke – nicht mal aus Bremen – aus Syke, von seinem Album 50.000 Einheiten verkauft, sitzt der beim Ersguterjunge-Essen mit 13 Pennern, die ich damals alle bezahlt habe und sagt ernsthaft, dass er auf jeden Fall auf dem splash! auftreten muss, obwohl ich ja mit denen Beef hatte. Trotzdem habe ich diesen Künstlern nie etwas verboten, auch Shindy kann im Prinzip machen, was er will. Ich konnte und wollte meinen Künstlern nie ­diktieren, was sie zu tun haben. Trotzdem sage ich es immer, wenn mir etwas nicht ­gefällt. Explizit bei Kay waren Arafat, er und ich alle tatsächlich gleichberechtigt. Ich habe Kay nie etwas verboten. Obwohl, warte. (überlegt) Einmal habe ich ihm etwas verboten. Das war, als Kay zur »BMW«-Zeit plötzlich meinte, er wolle ins Dschungelcamp.

Bist du mit Shindy auch so eng befreundet wie mit Kay?
Nein, auf keinen Fall. Er ist irgendwann aufgewacht und kam alleine zu uns nach Zürich. Wir haben dann unsere Probleme aus der Welt geschafft. Heute haben wir ein sehr gutes, freundschaftliches Verhältnis, aber insgesamt eher eine professionelle Beziehung. Wir wissen genau, was wir voneinander wollen. Er ist dankbar und das, was in den letzten Monaten passiert ist, überschreitet auch seine persönlichen Erwartungen. Ich habe auch mit seinen Eltern geredet, die natürlich sehr bedacht darauf waren, dass er bei uns in guten Händen ist.

Gibt es denn eigentlich rechtliche Konsequenzen aus dem, was Kay One beim Stern ausgepackt hat? Ist er der Volltreffer, den sich das LKA erhofft hat?
Rechtliche Konsequenzen? Auf gar keinen Fall. Wenn jemand wie er über eine angeblich so gefährliche Organisation wie die Abou-Chakers und Bushido irgendwas wüsste, dann wären wir innerhalb von Minuten im Knast. All diese Menschen, die Exekutive, die ganze Bande um Wowereit, das Finanzamt, die warten ja nur darauf. Wenn Kay der ­Kronzeuge des Jahrhunderts wäre, dann säßen wir längst hinter Gittern. Eigentlich ist die Frage aber eh falsch gestellt. Es gibt keinen Kronzeugen, weil es gar keinen geben kann. Es gibt einfach nichts über uns zu erzählen. Wir haben einen schönen Kontostand, machen gemeinsam Geschäfte, ­besitzen Immobilien. Das war’s. Wir machen keine illegale Scheiße. Wir sind so legal, dass wir schon wieder langweilig sind. Natürlich denken die Leute mittlerweile, das läge daran, dass wir die alle unter Kontrolle hätten. Sogar den Bürgermeister von Kleinmachnow.

Die übliche Taktik von Verschwörungs­theoretikern.
Arafat hat mich letztens wegen einer Sache mal richtig gerügt, wegen dem Praktikum bei von Stetten, diesem Hampelmann. Dadurch haben wir nur Probleme bekommen. Seitdem denken die Leute, wir würden der Mafia den Weg in den Bundestag ebnen, dabei war ich da nur bei ein paar Sitzungen und habe ein paar Interviews gegeben, verstehste?

Und diese Mittelstandsveranstaltung?
Die mit Friedrich? Das war geil, Alter. Die haben mir von allen Seiten nur Zucker in den Arsch geblasen. Im Nachhinein haben wir aber eigentlich gar kein Interesse an Politik.

Das war aber mal anders. Du hast doch ­ernsthaft überlegt, in die Politik zu gehen, oder?
Ich hätte es schon witzig gefunden, eine Partei zu gründen, um mal so richtig Stress ohne Grund machen zu können. Ich glaube wirklich, dass ich die Chance hätte, in eine Position zu kommen, in der man mich nicht so schnell totreden kann. Ich hätte mich gerne als Störsender gesehen. So, wie die Piraten am Anfang, bevor sie sich assimiliert haben und in der Versenkung verschwunden sind. Aber im Moment kümmere ich mich lieber um meine Familie. Außerdem habe ich Bock, Leute zu beleidigen und Mütter zu ficken. Ich habe gerade richtig Spaß an der Musik. Durch »Leben und Tod des Kenneth Glöckner« habe ich gemerkt, dass ich mit meiner Musik noch etwas bewirken kann.

Also hat Kay One es geschafft, dir den Spaß an der Musik zurückzugeben?
Auf gewisse Weise ja, der eigentliche Initiator war aber Eko. Ihr müsst euch das so vorstellen: Kennt ihr »Der Herr der Ringe«? Kennt ihr die Reiter von Rohan? Deren großer König ist alt und schwach geworden, weil er diesen Einflüsterer namens Schlangenzunge an seiner Seite hat. So war das auch mit Kay und mir. Ich war Bushido, ich konnte viel bewirken, mein Wort hatte Gewicht. Dann lernte ich Kay kennen und er machte mich behäbig und gemütlich. Ich dachte außerdem, alle wären gegen mich. Er erzählte mir immer wieder, wer alles über mich lästern würde. Irgendwann dachte ich auch, ich würde ohne Kay meine Alben und Auftritte nicht mehr auf die Reihe bekommen. Als Kay dann ging, war es zunächst so, als würde ich aufhören, Drogen zu nehmen. Ich war mir sehr unsicher, und da kam Eko ins Spiel. Er rief mich an und sagte zu mir: »Bruder, fick diesen Kay. Mach ihn kaputt.« Der hat mich 90 Minuten lang am Telefon therapiert und mir klargemacht, dass dieser Typ mit seiner Verräter-Aktion nicht durchkommen darf. Im HipHop bringt man solche Snitch-Scheiße einfach nicht. Am Ende habe ich ihm vertraut und zu »Leben und Tod des Kenneth Glöckner«, was ich damals bereits fertiggeschrieben hatte, dieses Video drehen lassen. Eine Zeitlang wusste ich nicht mehr, ob der Song wirklich cool ist. Also habe ich den Song Tai Chi, der geht ins selbe Fitnessstudio und ist ein guter Kumpel von mir und Arafat, bei Beatzarre im Studio vorgespielt. Er war die erste neutrale Person, die den Song für Kay gehört hat, und fand ihn einfach krass. Erst dann war ich mir so richtig sicher. Bei Eko habe ich mich direkt bedankt, nachdem das Video dann draußen war. ­Kleine Anekdote am Rande: In der Deluxe-Edition meines Albums befindet sich ein Comic von Adopekid und in dem gibt es auch eine Mr. Miyagi-Figur, die erinnert an Eko. Das ist mein Dankeschön an ihn. Wenn er mich nicht angerufen hätte, wäre ich vielleicht einfach lethargisch geblieben.

Hattest du Bauchschmerzen, als Kay einige Wochen vorher den Disstrack gegen dich angekündigt hat?
Ehrlich gesagt zunächst schon. Kay ist ein begnadeter Rapper, das kann niemand abstreiten. Er hat Qualität eingebüßt und sich mit seinen letzten Sachen keinen Gefallen getan. Trotzdem hätte »Nichts als die Warheit« ein sehr starker Song werden können. Shindy hat sich schon zur Ankündigung richtig krass darüber gefreut. Shindy ist ein richtiger Rap-Fan, er liebt Beef und mag es, wenn sich Leute sportlich beleidigen. Im Nachhinein hat Kay uns mit diesem Song einen wahnsinnig großen Gefallen getan. Ich habe den Song das erste mal im Auto mit meiner Frau gehört und danach waren wir total entspannt. Ich fühle mich wohl als Rapper sterblicher, als ich es eigentlich bin. Ich dachte wirklich, ich müsste mir vor so einem Song in die Hosen pissen.

Wenn du heute darauf zurückblickst, wie Cosimo in New York behandelt wurde – hat Kay eine sadistische Ader?
Ich gehe noch einen Schritt weiter und sage, dass die Sachen, die in Bezug auf Cosimo öffentlich geworden sind, zu 90 Prozent auf Kay zurückgehen. Er war der Rädelsführer, als es darum ging, den als Deppen ­dastehen zu lassen. Zu New York kann ich dir so viel sagen: Cosimo hat wahrscheinlich wirklich gelitten, aber auch eine Menge dafür ­bekommen. Für sein öffentliches Image als Witzfigur tut er ja selbst genug.

Warum suchst du dir einen solchen Typen überhaupt aus?
Kay hat den damals angeschleppt, weil er ihn korrekt und witzig fand. Nur hatte ich den dann an der Backe und musste ihn vier ­Wochen lang bei mir wohnen lassen und mir danach ein neues Toilettenbecken kaufen, weil der geschissen und nicht runtergespült hat. Außerdem lag er, während ich mit meiner Ex-Freundin im Schlafzimmer war, auf der Couch herum und hat sich einen gekeult. Verstehst du? Das ist Cosimo. Ist nicht schlimm, aber der ist hängengeblieben. Trotzdem habe ich ihn nie körperlich oder seelisch misshandelt, geschweige denn auspeitschen lassen. Diese ganze Masche mit Cosimo ist ohnehin Kays Werk. Cosimo war letzte Woche, das weiß ich, bei Kay im Hotel. Fakt ist, Kay ist weg vom Fenster. Nach ­»Leben und Tod des Kenneth Glöckner« könnte er den krassesten Diss-Track machen, der Zug ist abgefahren. Was macht er also? Er holt sich Cosimo, einen richtig behinderten und treudoofen Menschen, schreibt ihm einen Disstrack und lässt ihn das interpretieren. Sein Vorteil dabei? Ich kann auf den Song nicht antworten, ich werde und will jemanden wie Cosimo, diesen Clown, nicht dissen.

Ist Kay ein schlechter Mensch?
Das ist ein wenig problematisch. Ich will nicht über den Menschen an sich urteilen, aber ich nehme deine Frage natürlich ernst. Wenn ich jetzt also darauf antworten soll, antworte ich dir aus meinem Herzen heraus. Und so sage ich, dass er ein sehr schlechter Mensch ist. Er lässt zum Beispiel sehr gerne Menschen auflaufen und hat Spaß dabei, Leute zu verarschen.

Machst du das auch gerne?
Nein, Alter. Ich labe mich nicht am Leid ­anderer Menschen, ich ergötze mich nicht daran. Kay hingegen hat das schon oft gefallen. Das Problem ist nur, du brauchst für so etwas auch jemanden, der dazu passt. Cosimo passt dazu. Als ich zum Beispiel Menderes kennengelernt habe und der ernsthaft mich und meine Frau gefragt hat, wie man sich am besten umbringen kann, seitdem habe ich nie wieder einen Witz über den gemacht. Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass ein Typ, der offensichtlich psychische Probleme hat, sich etwas antut. Aber Cosimo ist dafür geboren. Er zieht so etwas an. Kay ist ein schlechter Mensch, aber nicht wegen Cosimo.

Ist Cosimo ein guter Mensch?
Ja, er ist ein dummer Mensch, aber im Herzen ist er ein guter. Aber Dummheit schützt vor Strafe nicht. Und wenn mir Kay schreibt: »Ey, willst du dem jetzt das Weihnachtsfest versauen? Der hat doch nicht mal fünf Euro«, dann sage ich ja, das will ich. Da bin ich ganz ehrlich. Wer so viel Scheiße erzählt, von der einfach gar nichts stimmt, der kann nicht erwarten, dass ich einfach so darüber hinwegsehe.

Bist du ein guter Mensch?
Ich weiß es nicht, ganz ehrlich. Ich versuche es jeden Tag. Mal bin ich besser, mal bin ich schlechter. Aber wenn ich wirklich schlimm wäre, dann hätte ich abseits der Karriere vielleicht einiges nicht bekommen. Meine Kinder sind alle gesund, obwohl die Ärzte bei den Zwillingen eine Zeit lang befürchteten, meine Frau hätte sie verloren. Manche mögen darüber lachen, dass ich so etwas auf Gott schiebe, aber ich glaube daran, dass man bekommt, was man verdient. Ich war oft ein schlechter Mensch, aber auch, wenn es darauf ankam, immer ein guter. Ich würde sagen, ich bin zu 51% gut und zu 49% schlecht. Eigentlich ist es aber auch egal, was ich darauf antworte. Ob ich gut gewesen bin, finde ich eh erst ganz am Ende heraus. Ich bete aber jeden Tag dafür, dass Gott mir und vor allem meiner Mutter vergibt. Ich hoffe auch, dass meine Kinder irgendwann für mich dasselbe tun werden. Keiner von uns wird ohne Sünde sterben, aber so lange jemand lebt, der für dich bei Gott um Vergebung betet, hast du eigentlich alles richtig ­gemacht. Aber trotzdem habe ich richtig Spaß daran, Leute zu beleidigen. Wie ich schon auf »Mitten in der Nacht« sage: »Ich hab vier Kinder, Ehefrau und ficke eure Mütter.« (Gelächter) Ich bin Vater, trage Verantwortung, aber mir macht das hier einfach verdammt viel Spaß und ich merke ja auch, wie viel Bock die Leute auf dieses Album haben. Ich sag’s euch ganz ehrlich, momentan läuft alles über diese Kay-Geschichte. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wo man mich überall auf diesen Song anspricht. Ich bin bei Butter Lindner, warte auf meine Brötchen und werde sogar dort auf den Song ­angesprochen. Nach »Stress ohne Grund« hatte ich plötzlich wieder dieses »The Dome«-Publikum, Mädchen haben geschrien, wenn ich mit meiner Frau bei Saturn war. Das war schon lange nicht mehr so. Seit der Kay-Geschichte drehen alle durch. Bei meinen Shows beschimpfen die Leute ihn 50 Minuten lang als Hurensohn, ohne dass ich den Song spiele. Das ist schon krass.

Spielt eigentlich deine Religion auf dem Album eine Rolle?
Nein. Ich sag mal so, ich gehe mit einigen Sachen sehr offensiv um, es wird einen Song namens »Osama Flow« geben, der ein wenig an »Sonnenbankflavour« angelehnt ist. ­Außerdem habe ich einen Track ­aufgenommen, dessen Fazit ist, dass ich euch zwar nicht essen darf, aber euch fette Schweine trotzdem schlachte. Ich überspitze das Thema, aber ich möchte keine religiöse Message verbreiten.

Spielt es in deiner persönlichen Entwicklung eine Rolle, dass du gläubiger geworden bist?
Na ja, zu glauben, dass man an etwas glaubt, ist ziemlich einfach. Es tatsächlich zu tun nicht so sehr. Aber als es mir auch wegen des Todes meiner Mutter schlechter ging, habe ich stärker Zuflucht in der Religion gesucht. Zum Beispiel habe ich im letzten Jahr zum ersten Mal in meinem Leben gefastet. Der Ramadan war mir früher nie persönlich wichtig, mittlerweile beschäftige ich mich viel mehr mit dem Thema. Ich bitte den lieben Gott jeden Tag darum, meiner Mutter ihre Fehler zu verzeihen. Trotzdem mache ich noch immer Sachen, die ich eigentlich nicht tun dürfte. Vielen behaupten ja zum Beispiel, Musik sei haram.

Warum soll Musik eigentlich haram sein?
Ich kann es dir nicht wirklich erklären. Ich möchte das nicht in Frage stellen, wenn es tatsächlich im Koran steht. Aber dann sündige ich eben, wenn ich Musik mache. Generell ertappt man sich immer wieder bei Dingen, die man eigentlich nicht tun dürfte, die einem das Leben aber erleichtern. Trotzdem verbringe ich mittlerweile mehr Zeit mit der Religion, ohne dass ich ein Fanatiker wäre oder andere für ihren Glauben verurteilen würde.

Woher kommt diese Hinwendung zum Islam?
Ich habe mich erst in einer für mich sehr schwierigen Situation der Religion zugewandt. Ich lief Gefahr, meine Mutter zu verlieren und wandte mich deswegen an den Glauben. Das geschah also leider eher aus Furcht und Trauer. Ich wollte irgendwie den Tod und Verlust meiner Mutter erklären, um ihn überhaupt bewältigen zu können. Ich bin deswegen aber dennoch nicht im Auftrag der Religion unterwegs. Ich will kein Zahnrad in einer ­großen Maschinerie sein, die jemanden wie mich ausnutzen möchte. Ich möchte einfach etwas über den Koran lernen. Mittlerweile kann ich auch eine erste Sure auswendig.

Erkennst du Sinn in deinem aktuellen Leben, du hast schließlich lange unter der Sinnlosigkeit deiner Existenz gelitten, nicht wahr?
Ich leide immer noch manchmal. Aber genau solche Momente (zeigt auf seine Tochter, die sich gerade über ihr Spielzeug freut), die sind es dann einfach. Egal wie dunkel und traurig das Leben manchmal ist und ganz egal, ob mal wieder die Depressionen hochkommen, die ich definitiv habe. Gerade nach dem Tod meiner Mutter hatte ich Tage, an denen es mir richtig schlecht ging, aber das gehört nun mal zu meinem Leben dazu. Wahrscheinlich werde ich immer wieder solche Phasen haben. Aber dank meiner Frau und meiner Kinder kann ich sie mittlerweile sehr gut bewältigen. Trotzdem merke ich gerade jetzt im Winter ab und zu, dass es mir echt scheiße geht. Ich werde schnell panisch, das ist nun mal so. Früher habe ich mich dagegen gewehrt, heute weiß ich, dass ich solche Attacken nicht verhindern kann. Aber das ist schon okay, nach einer halben Stunde geht das Leben weiter. Schließlich habe ich mittlerweile diese kleinen Menschen um mich herum, um die ich mich kümmern muss. Aber all das hat nichts mit HipHop zu tun. Diese Rapper sind trotzdem allesamt Hurensöhne.

Interview: Marcus Staiger & Sascha Ehlert
Protokoll: Sascha Ehlert
Illustration: Adopekid

Dieser Artikel ist erschienen in JUICE #157 (hier versandkostenfrei nachbestellen).

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