Beginner: »Standard war nie unser Ziel, sondern stets der Next-Level-Shit.« // Titelstory

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Die legenderbste Band der Welt

Ja, nun ist es amtlich: Die Beginner haben ihr viertes Studioalbum fertig. Am 26. August 2016 soll es unter dem Namen »Advanced Chemistry« endlich das Licht der Rapwelt erblicken. Und selten hat sich eine Ewigkeit länger angefühlt als beim Warten darauf. In Zahlen: Ganze 13 Jahre haben Denyo, Eizi Eiz und DJ Mad uns Geduld abverlangt. Eine Zeit, in der viel Wasser die Elbe runtergeflossen ist. Parallel dazu ist eine ganze Menge passiert – und zwar nicht nur bei den Beginnern selbst, sondern auch um sie herum. Alles hat sich verändert: Die Musiklandschaft, die hiesige HipHop-Szene, aber natürlich auch Denyo, Eizi Eiz und DJ Mad. Beim mehrmaligen Studiobesuch in Hamburg sprach JUICE mit den drei Jungs sowie ihren beiden Produktionskompagnons Tropf und FIJI KRIS über Bestand und Wandel, Anfänge und Enden, Torch, die Orsons und DJ Ötzi.

Vom Eppendorfer Weg bis zur Beatstreet

Wie eingangs bereits erwähnt: Das letzte Beginner-Album »Blast Action Heroes« liegt stolze 13 Jahre zurück – eine verdammt lange Bandpause, insbesondere für eine erfolgreiche Rapcrew wie die Beginner. Immerhin war besagte Platte seinerzeit »Deutschraps erste Nummer eins«, wie Denyo nicht ganz ohne Stolz im neuen Stück »Es war einmal« erzählt – damals war das nämlich noch nicht Gang und Gäbe wie heute. Und mit eben jener Platte ist den drei Hamburgern seinerzeit ein bemerkenswertes Kunststück geglückt: Einerseits ist es ihnen gelungen, sowohl den hohen künstlerischen Erwartungen gerecht zu werden, die nach dem Release ihres unfickbaren Rapklassikers »Bambule« seit 1998 von allen Seiten an sie herangetragen wurden. Andererseits haben sie es zeitgleich geschafft, nicht nur ihren eigenen kreativen Ansprüchen gerecht zu werden, sondern damit auch überall Anklang zu finden – und das, ohne sich dafür auch nur eine Handbreit verbiegen zu müssen. Auch das war damals alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Allerdings: Die deutsche HipHop-Szene machte Anfang der Nullerjahre eine Veränderung durch, die auch an den Beginnern nicht spurlos vorüberging. »Der Boom war vorbei«, erinnert sich Denyo. »Alles, was wir mit aufgebaut haben, ging langsam den Bach runter. Das war eine schwierige Zeit.« Und während sich das Szenezentrum unaufhaltsam von Hamburg Richtung Hauptstadt verlagerte, stürzten sich die drei Beginner in ihre Soloprojekte. Eizi Eiz knöpfte sich als Jan Delay Funk, Soul und Rock vor, Denyo widmete sich nicht mehr nur Rap, sondern auch dem Singer/Songwritertum, Radio und Fernsehen, und DJ Mad legte zusammen mit Denyo als Beginner Soundsystem auf und machte ebenfalls Hörfunk.

Eines hatte in dieser ganzen Zeit jedoch Bestand, nämlich die von allen Seiten immer wieder gestellte Frage: Wann kommt ein neues Beginner-Album?

Die langerwartete Platte ist nun endlich fertig und trägt den Titel »Advanced Chemistry«. Warum?
Eizi Eiz: Viele verbinden mit uns ja diese Mittneunziger-Jugendzentrum-Romantik, aber wenn man das visuell darstellen will, sieht’s scheiße aus. Also kam unser Grafiker Kool Keats auf die Idee, diesen Umstand auf dem Cover so David-LaChapelle-mäßig aufzublasen: Das schönste Haus der Jugend der Welt mit goldenen Sprühdosen und allem Drum und Dran. Und dann war eben die Frage, welcher Titel das untermauern würde. Wo kommen wir her? Was macht uns aus? Die Antwort: Advanced Chemistry. Deren Demotape haben wir damals auf dem Walkman zum ersten Mal gehört. Das war unser Urknall.
Denyo: So schließt sich für uns ein Kreis. Außerdem hat meines Wissens noch nie eine Band ihr Album bewusst nach einer anderen Band benannt.
Eizi Eiz: Aber alle haben ihre Alben nach der Platte von Torch benannt. (grinst)

Wie hat Torch darauf reagiert?
Denyo: Torch ist unser Papa, unser Held. Dem haben wir sehr viel zu verdanken. Das ist unsere Form der Respektsbekundung. Er und der Rest der Band fanden das cool – sonst hätten wir das auch nie gemacht. Trotzdem ist Torch eben Torch. Der betrachtet immer beide Seiten der Medaille.

Und so wird die Legende von Advanced Chemistry, von Torch, Toni L und Linguist, weitergetragen – in die Charts, in die Medien und in die Köpfe junger HipHop-Heads, die in der Wirkungsphase der Band noch nicht mal auf der Welt waren. Einerseits verständlich daher, dass diese Kids den großen Einfluss und Stellenwert, den Advanced Chemistry für die Entstehung der hiesigen HipHop-Szene hatte (und immer noch hat), nicht ansatzweise ermessen können. Und umso wichtiger andererseits, dass eine Band wie die Beginner, denen durch ihr musikalisches Wirken und ihre kulturelle Verankerung in der Szene der Brückenschlag zwischen Oldschool und Nowschool gelingt, nicht ihre Ursprünge vergisst – und ihre Hörerschaft einlädt, mal zurück an eben jene Wurzeln zu gehen.

 
Am Anfang der Produktionsphase von »Blast Action Heroes« seid ihr damals nach Amrum gefahren. Habt ihr das dieses Mal ähnlich gemacht?
Denyo: Nein, aber der Prozess war dieses Mal auch viel länger. Wir hatten ja vor fünf Jahren bereits beschlossen: »Lasst uns ne neue Platte machen.« Oder vielmehr: »Lasst uns versuchen, ne neue Platte zu machen.« (grinst)
Eizi Eiz: Dieser Versuch ist anfangs kläglich gescheitert.
Denyo: Es sind auch ein paar geile Sachen entstanden, aber wir waren noch nicht so weit. Und wir haben gemerkt: Das wird auch in sechs Monaten noch nicht so sein. Daraufhin haben wir das Beginner-Album erst mal wieder beiseite geschoben.

Das ging vor allem von Jan aus, oder?
Denyo: Ja. Jan hatte auf einmal zehn geile Rocksongs fertig, wir als Beginner aber erst zwei, drei wirklich derbe Tracks.
Eizi Eiz: Also haben wir über Youtube unsere erste »Ansage« gedroppt und gesagt: »Album dauert noch ein bisschen, kommt aber. Irgendwann.«

Ihr meintet gerade, ihr wärt damals noch nicht so weit gewesen. Inwiefern nicht?
Eizi Eiz: Dennis hatte gerade sein Singer/Songwriter-Album »Suchen und Finden« rausgehauen, ich hatte mit »Mercedes Dance« und »Wir Kinder vom Bahnhof Soul« zwei Funk-Platten abgeliefert. Wir hatten lange keine Beats mehr gemacht, lange nicht mehr gerappt – wir mussten erst wieder reinkommen. Rap ist ein Sport, für den du täglich trainieren musst. Und du brauchst Zeit, um darüber zu reflektieren, wie’s noch geiler wird. Das dauert. Zumindest dann, wenn man so hohe Ansprüche hat wie wir.
DJ Mad: Man braucht Zeit, um eine Formel zu finden. Wir mussten ja unsere alte Denkweise aus den Neunzigern in die Neuzeit bringen; uns auch mit modernen Sounds auseinandersetzen und die in eine zeitgemäße Struktur einbinden, die im Beginner-Kontext funktioniert.
Denyo: Das war auch der Grund, warum wir beschlossen haben, unser Team zu erweitern: Einerseits mit Tropf, der uns eh schon immer gemischt hat, diesmal aber zum ersten Mal auch bei den Beats mit am Start war. Und anderseits mit FIJI KRIS von Symbiz Sound, der ein Experte in diesem Neo-Vibe ist.

Gab es einen Moment, an dem ihr gemerkt habt, ihr seid in Sachen Rap wieder in der richtigen Spur?
Eizi Eiz: Für mich war das Dennis’ letzte Platte, wo ich gemerkt habe: »Derbe« – im wahrsten Sinne des Wortes.
Denyo: Als wir uns dann getroffen haben, hat gleich alles super funktioniert. Und Spaß gemacht. Wir wussten plötzlich: Wir kriegen das zusammengefuchst.
DJ Mad: Und dass etwas Besonderes dabei rumkommt. Standard war ja nie unser Ziel, sondern stets der Next-Level-Shit.

Gab es für die Arbeit an »Advanced Chemistry« ein konkret definiertes Ziel?
Eizi Eiz: Ja: Geschmäcker bündeln und eine zeitgemäße und auch zeitlose Platte machen. Wenn wir den zeitgemäßen Part aber komplett selbst hätten stemmen wollen, hätten wir uns erst mal ein halbes Jahr lang Tutorials ansehen müssen: In Ableton reinfuchsen, irgendwelche Rave-Rutschen diggen und uns Low-Bass-Wissenschaften geben. Das hätte eine weitere Ewigkeit gedauert. Also haben wir das ausgelagert.
Denyo: Das hat sich aber ganz natürlich ergeben, weil wir eh ständig mit den Jungs unterwegs sind: Jan mit Tropf und ich mit Kris.
Eizi Eiz: Man kommt auch gleich viel schneller voran, wenn man die Egos außen vorlässt und Aufgaben abtritt.
DJ Mad: KRIS ist eben auch zehn Jahre jünger als wir. Ich habe damals meine halbe Jugend auf der Suche nach dem perfekten Loop im Plattenladen verbracht. Aber das heutige Komponieren mit digitalen Klangerzeugern ist eine ganz andere Welt, in der ich nicht mehr zuhause bin. Also war es nur logisch, diesen Part abzutreten an jemanden, der das aus dem Effeff macht. Ich eigne mir ja auch nicht das komplette Ferrari-Reparaturbuch an, nur um mal die Lagerschalen in der Kurbelwelle wechseln zu können.
Denyo: Es ging uns vor allem darum, uns auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren zu können, anstatt uns in technischen Detailfragen zu verlieren. Heutzutage macht man eben anders Musik als zu unserer Anfangszeit. Schau dir doch bloß mal die Camps von Dr. Dre und Kanye West an: Die haben einen Experten für die Kicks, einen für die HiHats etc. Ganz so krass ist es bei uns zwar nicht, aber Tropf und Kris sind ebenso die verlängerten Arme der Band – mit demselben Vibe. Und in der gewonnenen Zeit konnten wir das tun, was wir am besten können: geile Songs machen.

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