»­Irgendwann hatten wir beim Mischen 18 Versionen von jedem Track.« // Basstard im Interview

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Basstard

 

Der kleine Mann, nicht weniger als der Erfinder und Begründer von Horrorcore auf Deutsch, wagt den nächsten Schritt. Anstatt ein weiteres Album mit düster-­brutalen Teufelsbeschwörungen und satanischen Versen zu füllen, schließt Basstard mit seinem neuen Album »Weiß«, dem dritten und letzten Teil seiner »Zwiespalt«-Serie, die Schublade der vertonten imaginären Horrorfilme und öffnet gleichzeitig ein paar neue, deren Beschriftung noch nicht ganz feststeht. Natürlich ist auch auf »Weiß« nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Das Album enthält wütende Abrechnungen mit der Ignoranz der Menschheit, aber auch Stücke, die so viel Hoffnung versprühen wie kein Basstard-Werk zuvor. Und dann ist da auch noch eine geniale Coverversion des Falco-Klassikers »Jeanny«. Ein Gespräch über eine Neuerfindung.

 

»Weiß« soll deine helle Seite ­verkörpern, es steckt aber auch viel Leid und Schmerz in dem Album. Wie bist du an das Projekt herangegangen?
Das war erst mal sehr schwierig für mich. Es ist ja ein ganz neuer Schritt, in meinem Metier Horrorcore bin ich ja gefestigt und kenne mich aus. Aber das ist ja ein Schritt da raus. Ich habe zwar schon immer viele unterschiedliche Sachen gemacht. Aber ein konzeptionelles Album zu machen, das gar nicht mehr in diese Richtung geht, war natürlich was ganz Neues. Am Anfang habe ich mir überlegt, wie ich es am besten mache – rappe ich jetzt über Blümchen und Sonnenuntergänge? Aber das wäre natürlich Quatsch, ist ja kein Ponyhof da draußen. Ich musste einfach ich sein. Das war das Einzige. Eigentlich ganz simpel, muss man aber erst mal drauf kommen. (grinst)

Echte Gefühle zu zeigen ist viel schwieriger, als sich etwas auszudenken, oder?
Ja, das war ein Stück weit auch eine Überwindung. Aber jeder, der mich kennt, weiß: Ich bin ein ganz lieber Mensch und ich bin auch ganz froh, dass man das endlich mal ein bisschen deutlicher mitkriegt. Denn das Horrording gehört zwar auch zu mir, aber das ist eben eine Passion, ein Extrem von mir.

Angekündigt war »Weiß« mal für ­Januar 2010. Was hat so lange gedauert?
Es ist eine Menge dazwischen gekommen. Zum einen war es eine Geldfrage. Bei »Schwarz« habe ich eine Menge verrückter Sachen angestellt. Ich habe zum Beispiel 10.000 Aufkleber in Plakatgröße drucken lassen, konnte aber letztlich nicht mal die Portokosten tragen. Distributionz und Downstairs haben mir da zum Glück wieder rausgeholfen. Dann hatte ich nach »Schwarz« eine Phase, in der ich sehr depressiv war, wo ich kaum aus meiner Wohnung rausgegangen bin. Wenn ich so düstere Musik mache, versetze ich mich eben sehr stark hinein, gehe voll darin auf. Ich denke mich ja da rein, das ist wie Schauspielern. Ich muss halt aufpassen, dass mich das nicht frisst. Das ist echt krass. Gerade bei »Schwarz« habe ich gemerkt, dass es gar nicht so ein Spaß ist, was ich da mache, sondern dass es auch mich selbst ficken kann. Es ist bei mir immer so ein akrobatischer Seiltanz zwischen Größenwahn und Depression.

Dann muss es ja geradezu entspannend gewesen sein, ein positiv gestimmtes Album wie »Weiß« aufzunehmen.
Na ja, der Mensch, der mein Album abgemischt hat, Johann S. Kuster, hasst mich wahrscheinlich jetzt. (lacht) Der ist mit mir durch die Hölle gegangen. Dieses Mal war ich wirklich total perfektionistisch. ­Irgendwann hatten wir beim Mischen 18 Versionen von jedem Track. Das war das erste Mal, dass ich mich so intensiv mit meiner Musik auseinandersetzen musste. Aber es hat sich gelohnt. Manche Songs haben Jahre gebraucht. Früher habe ich Leute ausgelacht, wenn sie mir so etwas erzählt haben. Jetzt verstehe ich erst, dass es ein langer Prozess ist, dass der Song reifen muss. Ich bin daran gewachsen.

Beschäftigst du dich jeden Tag mit deiner Musik oder brauchst du auch Ruhephasen?
Ich brauche das auf jeden Fall, ab und zu richtig abzuschalten. Gerade nachdem ich ein Album aufgenommen habe und mich nonstop mit Musik beschäftigt habe. Früher bin ich dann oft aufs Land gefahren, nach Brandenburg. Da hatte ich meine Ruhe und konnte komplett abschalten, bin Rad gefahren im Spreewald und so.

Du wurdest im Iran geboren. Inwieweit hat persische Dichtung oder einfach auch die bildhafte persische Sprache einen Einfluss auf deine mitunter doch sehr poetischen Texte?
Die Sprache auf jeden Fall – dass sie so schön und vielfältig ist. Zum Glück hat mein Vater sie mir beigebracht. Aber mit ­altpersischer Literatur kenne ich mich nicht so aus, da kenne ich mich eher mit deutscher aus, Goethe, Schiller oder Brecht. Mein Vater war auch ein großer Brecht-Fan.

Dein Vater war also ein alter Linker?
Ja, also kein 68er, aber im Iran war er politisch sehr aktiv, deswegen mussten wir auch nach Deutschland fliehen. Seine Freundin in Berlin war auch KPD-Mitglied, die hat mich als Kind mit diesen ganzen alten Ernst-Busch-Liedern therapiert. Das war ein ganz großer Einfluss für mich, ich habe das übelst gefeiert, die rauchigen alten Stimmen und die krasse Power, eine kraftvolle Musik. Einmal sollten wir unsere Lieblingsmusik in den Kindergarten mitbringen, alle haben Michael Jackson oder so was mitgebracht und ich kam mit Ernst Busch an. Die Kindergärtnerin fragte mich erstaunt: Hörst du so was wirklich? (Gelächter) Die hatten sicher ein komisches Bild von mir oder von meinen Eltern. Schon abgefahren. Da habe ich bestimmt diese ganze Psychoscheiße her.

Und was hat dein Vater gemacht?
Der war Maler, Kunstmaler. Er hat aber auch sieben Instrumente gespielt, vor allem Flöte und Klavier. Er hat mir sehr viel beigebracht, von ihm habe ich auch dieses Nie-zufrieden-Sein mit mir. Immer, wenn ich ihm Sachen von mir gezeigt habe, hat er das gar nicht ernst genommen. Wie, du bist Musiker? Du kannst doch gar kein Instrument spielen. Deswegen habe ich immer sehr hart an mir gearbeitet.

Freud würde sagen, du willst deinem Vater immer noch etwas beweisen.
Ja, er ist zwar leider schon gestorben, aber eigentlich will ich ihn immer noch überzeugen, dass ich wirklich Musiker bin, obwohl ich kein Instrument spielen kann. (lacht)

Hast du noch Verwandte im Iran?
Klar, aber ich habe Familie und Verwandte überall auf der Welt, in Frankreich, Kanada, Amerika, Portugal, Italien. Über Facebook bin ich mit vielen davon überhaupt erst in Kontakt getreten, von denen ich vorher gar nichts wusste. Ich habe zum Beispiel Besuch von einem Cousin aus L.A. gehabt, der auf Rock-Beats rappt. Christlicher Rap. (Gelächter) Das war ’ne heiße Nummer, als der hier war, wir hatten krasse Gespräche über Dämonen und Engel, Religion an sich. Der ist tief gläubig, so was habe ich noch nie gesehen. Als er hier war, hatte ich Schnupfen. Auf einmal nimmt er meine Hand und meint: Komm, lass uns beten. Ich so: Wieso? Er so: Damit du wieder gesund wirst. Also, das war mir nichts, obwohl ich wusste, dass es von Herzen kam und gut gemeint war.

Schaust du eigentlich nur Horrorfilme oder beschäftigst du dich ausführlicher mit Dingen wie Okkultismus?
Aleister Crowley und diese ganzen Geschichten fand ich schon immer faszinierend. Ich habe mich auch viel mit Mirin Dajo beschäftigt. Der hat sich Speere und Messer durch seinen Körper gejagt, und er hatte so eine starke Willenskraft, dass er nicht geblutet hat und seine inneren Organe auch nicht verletzt wurden. Das war aber ein ganz ruhiger Typ, der nur Frieden gepredigt hat. Seltsamerweise habe ich mich zu der Zeit, als ich »Schwarz« aufgenommen habe, mit einem Typen beschäftigt, der total friedlich war und nur Liebe gepredigt hat und jetzt, als ich »Weiß« gemacht habe, habe ich mich mit Aleister Crowley befasst, der nun wirklich alles, aber keinen Frieden gepredigt hat. (lacht) [Crowley gilt als Begründer des modernen Satanismus und des religiösen Systems Thelema, Anm. d. Verf.]

Hast du dich mit »Weiß« endgültig vom Horrorcore verabschiedet?
Mal schauen, ich lege mich nicht gerne fest oder enge mich ein. Vielleicht muss das Böse wieder irgendwann raus, und dann gibt es »Obscuritas Eterna 2«. Aber man sollte das Böse in Maßen genießen. (grinst)

 

Text: Oliver Marquart
Foto: Murat Aslan

 

 

 

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