»Wir hassen Rap und Poetry Slam« – Bartek über Literatur // Interview

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Das 21. Jahrhundert – Fortschritt, Wohlstand, Eierkuchen. Nur wenige Kernfragen bleiben bis dato ungeklärt: Wozu das alles? Was passiert nach dem Tod? Und überhaupt: what’s goes? Passable Antworten auf so viel Tiefsinnigkeit vermögen wir kaum zu liefern. Obwohl: wir hätten da ein Ass, äh, ein O im Ärmel. Denn am 20. März veröffentlichen Die Orsons ihr alleserklärendes viertes Studioalbum. Vor allem letztere Frage wird über 17 formidable Musikstücke hinweg eruiert. Zur Überbrückung der Wartezeit sprechen wir immer donnerstags mit einem der vier Kopfkino-Schwaben. Über kleinere, jedoch nicht minder wichtige Themen. Heute: Bartek über Literatur.
 
»Klein, aber oho!«: Im Orslack-Duden hängt Barteks Bild neben diesem Idiom. Immer mit einem flotten Spruch auf den Lippen, tänzelt The Artist Formerly Known As Plan B durch die Welt und versprüht seinen schwäbischen Charme. Wäre es nichts mit der Rap-Karriere geworden, das Kasperle vom Dienst wäre wohl auch in jeder Suppenküche gut aufgehoben. Dass hinter dem ganzen Klamauk ein kluges Köpfchen steckt, beweist Bartek im Literarischen Duett.
 
In deinen Texten finden sich oft Querverweise zu literarischen Werken. Liest du sehr viel?

Ich lese, so oft ich kann. Kurzgeschichten, Essays, Aphorismen. Ich bin großer Fan von Botho Strauß. Seine Texte haben meistens keine klare Handlung. Das sind eher Gedankenfetzen. Was Romane angeht: gerade lese ich die »13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär« und lache mich kaputt! Ich liebe Walter Moers, der Typ isch so witzig!
 
Was magst du an seinen Geschichten?
Ich liebe seine Wortschöpfungen und die Bilder, die er damit heraufbeschwört. Irgendwann hören die Leute auf, solche Bücher zu lesen, weil sie als Kinderbuch gelten. Das finde ich schade.
 
Also ist es der ausgefallene Sprachstil, der dich an solchen Texten umhaut?
Genau, aber auch schöne Beobachtungen und tolle Gedanken. Ich bin kein Fan schnörkelloser Prosa oder zu viel wörtlicher Rede. Und dieses ganze Bestseller-Gedöns à la »Feuchtgebiete« mag ich auch nicht.
 
Was hältst du von Hemingway, dessen Sprache sehr straight und einfach gehalten ist?
Das ist nicht meins. Der beschreibt nur, das ist mir zu wenig. »Der alte Mann und das Meer« war schon schön. Aber mein Lieblingsautor ist Botho Strauß. Und früher Milan Kundera. Hast du was von ihm gelesen?
 
Nur »Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins«.
Tolles Buch! Das ist so ein philosophischer Roman, ohne den Zeigefinger auszupacken.
 
Also beschäftigst du dich auch mit Philosophie?
Nicht wirklich akribisch, aber ich finde es sehr interessant.
 
Ich unterstelle dir jetzt mal, dass du dich mal mit Nietzsche auseinandergesetzt hast.
Das stimmt. Ich habe natürlich den »Zarathustra« gelesen. Und ich höre mir zum Einschlafen gerne Hörbücher von ihm an. »Der Antichrist« oder »Ecce Homo«.
 

 
Was hältst du von folgender These: Die Orsons sind der nietzscheanische Übermensch.
Das Potential ist vorhanden, aber noch nicht voll ausgeschöpft. Wir arbeiten dran.
 
Dabei geht es nicht um ein festes Ziel, das man erreichen kann. Es geht eher um einen Prozess der sich immer wiederholenden Selbstüberwindung.
Dann haben wir es schon geschafft! Mit diesem Album auf jeden Fall. Zum ersten Mal sind wir alle sehr zufrieden.
 
Über die Platte habt ihr ja bereits mit meinem Kollegen gesprochen. Also Themawechsel: Du schwäbelst bekanntlich gerne, auch in deinen Parts. Was hältst du von Rap in Dialekt?
Bartek: Furchtbar! Rap auf Dialekt ist das schlimmste der Welt.
Tua: Das heißt aber nicht, dass du es nicht machst.
Bartek: Stimmt. Aber ich rappe ja nicht nur schwäbisch. Wenn ich im Bartek-Rapper-Modus bin, will ich unterhalten. Und bei der Unterhaltungsmusik auf unserem Album rappe ich in diesem Modus. Aber wenn einer kommt und nur schwäbisch rappt, dann hau ich ihm eine rein und sag: »Wat is mit dir?!«
 
Du twitterst fleißig und sprichst fließend Denglisch. Das erinnert an Ernst Jandl, der viel mit Mundart und Wortschöpfungen gearbeitet hat.
Ernst Jandl ist classic! Als Maeckes und ich damals auf Theater-Tour waren, haben wir ein Stück von ihm aufgeführt: »Schtzngrmm«. Das schönste Gedicht der Welt.
 
Kannst du es noch auswendig?
Maeckes: Schtzngrmm, Schtzngrmm.
Bartek: t-t-t-t, t-t-t-t! Irgendwie so!
Maeckes: Klasse war auch »demokratie«! Das ging so: (imitiert Ernst Jandl) »Unsere Ansichten… gehen als Freunde… auseinander«. (lacht)
Tua: Aber wenn heute jemand sowas machen würde, würdest du’s hassen und über Poetry-Slam-Scheißdreck schimpfen!
Bartek: Das kommt auf die Vortragsweise an. Wenn jetzt Oliver Pocher kommt und das vorträgt, würde ich sagen: »Wat is mit dir?!« Aber wenn Hape Kerkeling das machen würde, fänd ich es super. Früher war ich übrigens Otto-Fan. Weil du mich vorhin auf Twitter angesprochen hast… der hat das auch schon gemacht: »English for Runaways – Englisch für Fortgeschrittene«.
 

 
Was stört dich an Poetry Slam?
Bartek: Die Vortragsweise! Die wollen Sachen als Kunst verkaufen, die überhaupt nichts Kunstvolles an sich haben. (spricht theatralisch) »Und dann… an der Warteschlange vom Rewe…«! Das ist einfach so: »Halt die Fresse, Mann!«
Tua: Genau wie Rap.
Bartek: Eigentlich genau wie Rap. Wir hassen Rap und Poetry Slam.
 
Was hältst du davon, dass Haftbefehl momentan vom Feuilleton als literarisches Genie gefeiert wird?
Ich verstehe nur 68 Prozent von dem, was er rappt. Der Rest ist ja nur: (imitiert Haftbefehl) Marock Ana Tscho Matschok Alak Bo! Das versteh ich nicht, aber es klingt geil! Es klingt so HipHop. Das ist perfekt. Deshalb sage ich: zu Recht!
 
Foto: Nico Wöhrle
 
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