Audio88 & Yassin – Nochmal zwei Herrengedeck, bitte. // Review

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Audio-88-Yassin_Nochmal-Zwei-Herrengedaeck-bitte

 

(Analog Alpha)

Wertung: Viereinhalb Kronen

Verfolgt man das, was Foren und Web-Reviews über die beiden ­Wahlberliner und Kreativsäufer ­Audio88 und Yassin so zu ­vermelden haben, lässt sich feststellen: Die zweite Runde “Herrengedeck” wird im Allgemeinen gut gefunden. Dies aber oft verbunden mit der Fest- bzw. Unterstellung, dass es sich hierbei um ein wahrhaftes Manifest der Misanthropie handle, um einen übel gelaunten, hämischen Rundumschlag gegen alles, was die beiden scheiße und verachtungs­würdig finden. Angesichts dessen, was im deutschen Rap gerne für “Ironie” und “Augenzwinkern” gehalten wird, mag das verständlich sein, aber eine nähere Beschäftigung mit den Protagonisten und ihrem Werk lässt auch eine andere Betrachtungsweise zu: Gut ­möglich, dass die beiden in Wahrheit gar keine ­einzelgängerischen, zynischen Arschlöcher sind, die sich zu Aufnahmezwecken angesoffen in ihrer schlechten Laune und resignierten Weltverachtung suhlen. Gut möglich, dass “Ihr” kein Ausdruck von Hass gegen hornbebrillte Szenedödel mit Strumpfhosen und montäglichem Pillenschiss sein soll, sondern eher eine spitzzüngige Selbstverortung, die mittels gesteigerter Beobachtungsgabe an dem entlang gestrickt wurde, was die soziale Umwelt von Audio und Yassin an Personal und Situationen hergibt. Dann wäre ­nämlich auch das “Sandy und Justin”-Doppelpack keine schadenfreudige Hörerbespaßung auf Kosten von Hochhauskindern mit hinterher geschmissener Sozialstudie, sondern eine durchaus sensible, mit ebenso viel Sinn für Details wie Humor umgesetzte (gereimte) ­Beschäftigung mit dem, was ist. Und es kann auch sein, dass das einzige wirklich ernsthafte Feindbild der beiden die Dummheit an sich ist, wie man aus “Focusleser” herausdeuten möchte. Dass das, was inhaltlich auf den 17 Anspielpunkten passiert, zu vielschichtig ist, um ein abschließendes Audio88 & Yassin-Image fest­stellen zu können. Dass der unterstellte Zynismus deswegen hier ebenso zu finden ist wie der reine Spaß an der piesackenden Punchline, die schlechte Laune ebenso wie der Witz, die ernste Selbstbeschau ebenso wie die Lust am kunstvoll gestrickten Wort zum Katersonntag, das durchdachte Konzept ebenso wie die verschnapste Textspielerei. Kann alles sein. Wie dem letztendlich auch sei: Dass die Platte textlich wie ­musikalisch sehr, sehr gut ist, da sind wir uns jedenfalls einig. Kann sich ja dann jeder seinen eigenen Gulliver dazu ­machen, was die Jungs wirklich ­meinen.

 

Text: Marc Leopoldseder

 

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