Atmosphere – Fishing Blues // Review

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(Rykodisc / Warner)

Wertung: Vier Kronen

Inmitten des Medienechos rund um Kanye, Young Thug und XXL Freshman Class fällt es leicht, zu vergessen, dass es noch eine andere HipHop-Welt gibt; eine, in der Vocal-Cuts noch bis zum Umfallen in den Mix gescratcht werden; eine, in der die Cypher noch als Königsdisziplin gesehen wird; eine, in der der Sound nicht hektisch zischt und rattert, sondern auf 70 BPM kriecht und drückt; eine, in der man sich diametral zum Mainstream sieht. Wenn man nicht auf Millionenverkäufe abzielt, wird das dann Underground-Rap ge­nannt – oder Grown-Up-Rap, wenn man sich aufspielen will. Diese Musik kann mal rückständig-vertrocknet wirken und mal eine Intensität erreichen, die über die ­Möglich­kei­ten üblicher Erfolgsrezepte hinausgeht. Das Duo Atmosphere aus Minneapolis fällt unter letzteres. Rapper Slug und Produzent Ant sind seit 21 Jahren Untergrundikonen. Auch ihr neues Album »Fishing Blues« verfolgt konstant einen Stil, den die beiden seit elf Alben pflegen: Sie kreieren intimen, introspektiven Rap, der Indierock, Live-Instrumentierung und warmen Boombap unter einen Hut bringt. Slug rappt immer noch mit gesenktem Kopf über Allegorien, Melancholie und seinen Platz in der Welt. Hier ist Rap strenges Textmedium und keine musikalische Form, die Melodik über Lyrik stellt. Und so wenig sich Ant an den synthetischen Sound der 2010er ­anbiedert, so konsequent lässt er auch diesmal Indie-­geprüfte Gitarren und trauernde Pianos sprechen. Ja, Pop ist das irgendwie schon. Auf »Ringo« beispielsweise rappt Slug »Your flag is green, in God we trust/You were born in sin, we were born in debt« – dargeboten als ­albern-fröhliches Throwback zur verschmitzten Ironie Eminems circa 2002. Zwischen dieser Form von halbernsten Kommentaren und betrübter Gesellschaftsreflexion haben sich Atmosphere im Laufe ihrer Karriere ihre eigene Nische geschaffen. Und so bleiben Innovation und Eklektizismus Charakteristi­ken, die ihr eisenharter Selbstoffenbarungsrap auch auf dem elften Album nicht braucht, um einfach nur so gut zu sein.

Text: Lukas Klemp

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