Antilopen Gang: »In der JUICE sind wir Punker, in Wirklichkeit der Mittelpunkt des Weltgeschehens.« // Interview

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Eine hippe Pizzabude im Düsseldorfer Japanviertel: schwarze Kacheln, gerahmte ­Shephard-Fairey-Poster, Basilikumtöpfe. In der offenen Küche wird Teig geknetet. Die Antilopen sitzen im Untergeschoss in braunen Ledermöbeln. Koljah, Danger Dan und Panik Panzer sind entspannt: Unser Treffen ist das erste im anrollenden Interviewmarathon. In ein paar Tagen wird ihr erstes Video aus »Anarchie und Alltag« erscheinen: »Das trojanische Pferd« – die Verwandlung vom grazilen Steppengnu zum hölzernen Ross als Auflösung ihres langgehegten Plans: Gazellenelegant aus dem Untergrund hinter die Stadtmauern des Mainstreams schleichen und die Bundesrepublik samt Deutschrap-Zirkus auflösen. Vorher muss aber noch über Pizza, unreine Reimketten und die Angst vor dem Absturz gesprochen werden.

Auf einem Song eures neuen Albums sprecht ihr Pizza die Fähigkeit zu, Kriege und Konflikte zu lösen. Ist es Zufall oder geplant, dass wir uns heute in einer Pizzeria treffen?
Panik Panzer: Ein geplanter Zufall. Pizza ist nicht nur in der Lage, die Welt zu retten, sondern auch das Verhältnis zu einem Interviewer.
Danger Dan: Quasi ein billiger ­Bestechungsversuch.

Pizza denn geliefert, tiefgekühlt oder doch D.I.Y?
Danger Dan: Situationsbedingt: Nachts im Suff passt Tiefkühlpizza. Verkatert am nächsten Tag amerikanisch bestellt. An dieser Stelle: Fatoni hat übrigens die perversesten Vorlieben. Seine acht Kilo Speck- und Käse-Variante schmeckt dennoch erstaunlich gut.

Ich fand »Aversion« sperriger als »Anarchie und Alltag« und das »Abwasser«-Mixtape. Esoterisch ausgedrückt: Musstet ihr euch noch finden?
Koljah: Wir mussten uns in dieser Dreierkonstellation neu finden. Und haben ein paar Experimente gewagt, die wir mittlerweile nicht mehr so ganz nachvollziehen können.

Zum Beispiel?
Koljah: Auf den Song »Unterseeboot« könnte ich im Nachhinein verzichten.
Danger Dan: Bei Konzerten spielen wir die Beats von »Aversion« mittlerweile auch schneller ab, anders hat sich das für uns irgendwann falsch angefühlt. Hinzu kommt: So sind die Konzerte schneller vorbei, wir können eher wieder Bier trinken und in Ruhe unsere Bücher lesen.
Panik Panzer: Es stimmt aber, wir rappen heute korrekter als auf »Aversion«. Unser Produzent Roe Beardie meinte, das käme durch die vielen Konzerte. Macht auch Sinn: Ich bin nicht der Typ, der jeden Abend zum Üben in die Freestyle-Cypher steppt.
Koljah: Nach »Abwasser« hab ich oft gehört: »Endlich rappt ihr mal cool.« Das war aber weder eine bewusste Entscheidung, noch ist mir das aufgefallen.

Generell habt ihr ja auch einen Hang dazu, Reime freier zu interpretieren.
Panik Panzer: Wir benutzen alle relativ routiniert unreine Reime. Da geht es mehr darum, dass sich die Betonung reimt. Penible Silbenzählreime werden schnell öde und bieder. Ich bin immer amüsiert, wenn Leute behaupten, das reime sich ja gar nicht.
Koljah: Das sind Leute, die keinen Plan vom Reimen haben. Auf Twitter hat sich letztens jemand beschwert, dass ich rappe: »Ich kau ein Kaugummi/Bis es flüssig wird und ich es ausspucke.« Das sind Otto-Normal-Hörer mit Reimsozialisation im Deutschunterricht. Die vertragen nur reine Nominalreime. Für die reimt sich »Kaugummi« nicht auf »ausspucke«. In Zeiten von irgendwelchen Kollegahs sind saubere mehrsilbige Reime nichts Besonderes mehr. Bei Haftbefehl sind die Reime ja auch sehr unrein, aber trotzdem reimt sich alles und funktioniert.
Danger Dan: Es kotzt mich an, wenn jemand tipptopp auf HipHop reimt. Aber wenn jemand HipHop auf Schnittlauch reimt, finde ich das geil. Wenn ich Reime hören will, kann ich mir auch ein Reimlexikon vorlesen. Leute, die poppigen Quatsch hören, verstehen das nicht. Das ist wie bei Jazzkonsumenten, die das nicht als dissonant wahrnehmen, wenn da eine Zwölf oder eine Sieben im Akkord ist, sondern das geil finden. Und Schlager-Dudes denken: »Das ist doch total schief!«

»Den HipHoppern sind wir zu Punk und den Punkern zu HipHop.«

Also seid ihr so ein bisschen die Miles Davis’ des Raps?
Danger Dan: Das ist vielleicht ein ­bisschen anmaßend.
Koljah: Find’s eher anmaßend, Miles Davis als Antilopen Gang des Jazz anzusehen.

Es gibt einen straighten Punksong auf dem Album. Was aber noch mehr überrascht, ist die Hook im Song »RAF«, die an Young Thug erinnert.
Panik Panzer: Die ist dreist abgekupfert von einem guten Thugger-Song. Young Panzer hat in einem glückseligen Moment nachts in einem Brandenburger Dorf diesen Einfall gehabt, per Auto-Tune ins Mikrofon reinzu­lallen – und das hat uns sehr gut gefallen.

Sucht ihr die Albumtitel eigentlich bewusst alle mit einem »A« am Anfang aus?
Koljah: Das ist mir noch gar nicht ­aufgefallen.
Panik Panzer: Was meinst du? Beginnen die echt alle mit »A«?

»Abwasser«, »Anarchie und Alltag«, »Aversion« …
Koljah: »Aschenbecher«.
Danger Dan: Das ist eine Neurose.
Koljah: Wenn man einmal damit anfängt, kommt man da schwer wieder raus. Dieses Mal war es allerdings Zufall.
Danger Dan: Hat auch Vorteile: Wenn man seine Alben zu Hause alphabetisch sortiert, stehen unsere Alben immer am Anfang – zusammen mit den Absoluten Beginnern und Andreas Bourani.
Panik Panzer: Taktlo$$ hat mal, um auf der »Rap City Berlin«-DVD ganz vorne zu sein, extra das Label Aalglatt Records gegründet. Das ist bis heute für uns als Band eine Inspirationsquelle.
Koljah: Unser Tipp an alle Nachwuchskünstler: Klaut diesen Trick von uns! Noch besser ist eine Zahl am Anfang. So wie bei 2Pac oder 3Plusss – um die beiden mal in einem Atemzug zu nennen.

 
Lasst uns mal über euer Außenseiter­dasein reden.
Danger Dan: Innerhalb der Band bin immer noch ich der Außenseiter. Ich habe sehr viele Ideen. Davon werden aber auch sehr viele abgeschmettert.

Wie ist das in den verschiedenen ­Genres, in denen ihr euch bewegt?
Danger Dan: Bei unserem Label sind wir die HipHopper. Und in der JUICE die Punker. Aber alle, die uns als Außenseiter darstellen, liegen falsch. In Wirklichkeit sind wir der Mittelpunkt des Weltgeschehens.
Koljah: Panik Panzer rappt auf dem »Abwasser«-Tape: »Ich setz mich zwischen die Stühle/Und mach’s mir bequem.« Noch besser wär vielleicht gewesen, dass wir uns drunterlegen. (lacht) Das ist unser trauriges Schicksal: Den HipHoppern sind wir zu Punk und den Punkern zu HipHop.

Ich hab hier ein schönes Zitat von Panik Panzer aus einem anderen Interview: »Ich wünschte, die HipHop-Szene würde uns cool finden.«
(Gelächter) Panik Panzer: Damit stichst du tief in die Wunde. Danach musste ich mir lange anhören, dass ich bitte nicht mehr so eine Scheiße in Interviews erzähle.
Danger Dan: Ich wusste, irgendwann fliegt uns das um die Ohren.
Koljah: Jetzt ist es soweit.
Panik Panzer: Wie war noch mal das exakte Zitat? Ich wünschte, die HipHop-Szene würde uns …

… cool finden.
Panik Panzer: Hab ich das so gesagt? Ich war betrunken und hab meinen Gefühlen freien Lauf gelassen.
Koljah: Wir werden von den Medien gerne als »Gegenentwurf« angeführt. Dadurch vergessen viele, dass wir Jahre durch den Rap-Untergrund getingelt sind. Wir sind gute Rapper, wir haben gute Beats und es nervt einfach, wenn Leute das nicht anerkennen und gleichzeitig irgendwelche talentlosen Volldeppen mehr Aufmerksamkeit bekommen. Das hat mich mal ziemlich gestört, mittlerweile juckt mich das aber nicht mehr besonders. Ist ja auch nicht so, dass die HipHop-Szene nur aus den besten Menschen der Welt besteht.
Danger Dan: Ich finde unsere Rolle in dieser Suppe sehr gut. Ist ja kein Geheimnis, dass ich die meisten Rapper scheiße finde. Wenn Leute mich scheiße finden, die ich auch scheiße finde, fühle ich mich sogar bestätigt.

»Wir können gerade von der Musik leben, weil wir Glück hatten. Trotzdem kannst du jederzeit wieder in Kneipen versumpfen.«

Ihr singt auf dem Album von den »Losern an der Bar«, die ihre Chance verpasst haben. Ihr habt jetzt eure Chance genutzt, seid bei JKP unter Vertrag. Seht ihr euch überhaupt noch als Verlierer?
Koljah: Der Song schwankt ja so ein bisschen zwischen Beobachtung und Selbstbeschreibung. Wir sind selbst oft genug in irgendwelchen Kneipen versackt.
Danger Dan: Meinen Part habe ich geschrieben, als ich mal wieder aus der­selben Kneipe kam. Am selben Abend mit ­denselben Gesprächen wie immer.
Koljah: Wir können gerade von der Musik leben, weil wir Glück hatten. Trotzdem kannst du jederzeit wieder in Kneipen versumpfen.

Habt ihr da Angst vor?
Koljah: Ich habe aufgehört, Alkohol zu trinken. Ich hatte Angst davor, ja.
Danger Dan: Ich werde irgendwann diese Stammkneipe haben: Dieselben Idioten, die alle immer am selben Platz sitzen. Man sagt sich am Anfang »Hallo« und am Ende »Tschüs« und dazwischen nichts. Ich finde, das ist kein schlimmer Lebensplan. Früher habe ich immer gesagt, ich stelle mich irgendwann zu den Boule-Spielern im Park ohne mitzuspielen. Aber das ist mir im Winter zu kalt, und man hat keinen Sitzplatz.

Das Cover von »Anarchie und Alltag« zeigt ein Architekturbild einer idyllischen Wohnsiedlung. Auf dem Rasen liegt der Schatten eines Flugzeugs, das eine Bombe abwirft. Erklärt das mal.
Panik Panzer: Wir waren wieder auf der Suche nach einer absurden Ästhetik. Bei »Aversion« waren das die grotesken Paradiesdarstellungen der Zeugen Jehovas. Diese Architekturbilder gaukeln jetzt so eine abstoßende Utopie vor: perfekter Rasen, glückliche Menschen im besten Alter. Der Bomberschatten stellt dieses Bild in Frage und unterstreicht die Fragilität dieser Welt.
Koljah: Das wusste ich gar nicht. Man kann davon ausgehen: Der nächste Albumtitel fängt mit »A« an und auf dem Cover ist irgendeine kaputte Idylle zu sehen. ◘

Foto: Robert Eikelpoth

Dieses Interview erschien in JUICE #178 (hier versandkostenfrei bestellen).

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