AK AusserKontrolle: »Eine Bitch wird anders behandelt als eine Babymama« // Interview

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Mit ihrem Debütalbum »Panzaknacka« stieg die AK-Ausserkontrolle-Gang, die in den Medien vor allem mit sogenannten Blitzeinbrüchen für Furore gesorgt hat, 2016 direkt in die Top Ten und damit aufsehenerregend ins Rap-Geschehen ein. Dem einen oder anderen vielleicht noch unter dem Namen Gullydeckelbande im Gedächtnis, war einer ihrer größten Coups 2013 der Einbruch in den Berliner Apple Store. Mittels einer Luxuskarosse preschte die Bande in den Laden und ließ einiges mitgehen. In zwei Minuten rein, raus und dann mit 300 Sachen über die Autobahn, um die Beute zu Geld zu machen. Musik machen die Jungs natürlich nicht erst seit gestern, aber spätestens seit dem Signing bei AKF geht es steil nach oben. Mit dem neuen Album »A.S.S.N.« (»Auf Staat sein Nacken«) setzt Rapper AK die Messlatte für deutschen Gangstarap nochmal nen Zacken höher.

Im AKF-Hauptquartier treffe ich Labelchef Patrick Thiede, der mir während der Autofahrt nach Wedding erzählt, dass AK gerade das Video zur Single »A.S.S.N.« abgedreht hat. In einem früheren Leben war Patrick Sozialarbeiter, was ihm bei der Förderung von Talenten wie der 187 Strassenbande und AK Ausserkontrolle sehr zugute kommt – mit dem positiven Nebeneffekt, dass der musikalische Erfolg steigt und die Kriminalität sinkt. AK holen wir zu Hause ab und fahren dann eine Ecke weiter in eine Shisha-Bar, um uns gechillt unterhalten zu können.

Als erstes interessiert mich, ob die Sache mit den Blitzeinbrüchen neben dem musikalischen Erfolg überhaupt noch Thema ist. Aber da AK nonstop im Studio arbeitet, findet er für so etwas gar keine Zeit mehr. »Die Musik hält mich auf jeden Fall davon ab, auf dumme Gedanken zu kommen. Ich war ja schon mal in Haft, habe mir jetzt aber etwas aufgebaut, das ich nicht verlieren will – deshalb konzentriere ich mich voll und ganz auf die Musik. Die Bullen haben mich eh im Visier, darum muss ich vorsichtig sein.« Auf die Frage nach seiner gefährlichsten Aktion, weiß AK keine rechte Antwort. »Da könnte ich dir so viele Geschichten erzählen – allein nach einem Überfall mit 300 km/h über die Autobahn zu rasen, ist schon saugefährlich. Wir sind da mehrmals an der Leitplanke entlanggeschliddert, wenn das Auto ausgebrochen ist. Wir haben auch schon ein paar krasse Unfälle hinter uns, bei denen wir die Autos stehenlassen und zu Fuß weitergehen mussten. Dann sind wir in die Wälder gerannt und haben die Beute zurückgelassen. Einmal kamen wir nach ewigen Stunden aus einem Wald zurück nach Berlin, und ich hatte über zwanzig Zecken am ganzen Körper, die alle entfernt werden mussten.« Und er führt weiter aus: »Verlet­z­ungen sind auch deshalb gefährlich, weil dadurch DNA am Tatort zurückbleibt. Viele Freunde von mir wurden so schon überführt. Und das passiert oft: Wenn du eine Scheibe einschlägst oder eine Scheibe so stabil ist, dass der Gullydeckel abprallt. Einem Freund von mir ist der mal auf den Fuß gefallen – der war gefickt! Ein anderer Freund ist bei einer Aktion mal umgeknickt, wobei sich die Kniescheibe verschoben hat – damit war die Aktion gelaufen. Und: Die hatten alle schon in Autos investiert, also hat er Miese gemacht. Am nächsten Tag ist er mit Gips und Krücken rumgelaufen und wurde polizeilich als Gipstäter gesucht.« AK lacht.

Um jegliche Angst und Hemmungen zu verlieren, werden solche Aktionen nicht nüchtern gestartet. Das Mittel der Wahl: das Schmerzmittel Tilidin. »Die Dosierung ist wichtig, sonst bist du erstmal weg vom Fenster. Aber wenn du im Rausch bist, bist du total fokussiert auf das Ziel.«

»Wir lassen Niemanden zurück«

Loyalität wird auf der Straße groß geschrieben – insbesondere bei solchen Aktionen. »Wir lassen niemanden zurück, versuchen in der Regel aber trotzdem, das Ding noch durchzuziehen«, sagt AK. »Ein Kumpel hat sich mal den ganzen Arm aufgeschnitten, sodass die Haut in Fetzen runterhing. Eine Ader war komplett freigelegt und hatte einen Riss, das Blut spritzte nur so raus. Wir haben die Wunde verbunden. Ins Krankenhaus wollte er nicht, weil er Schiss hatte, geschnappt zu werden. Irgendwann wurde er ganz gelb, das war voll schlimm. Es hörte auch nicht auf zu bluten, sodass wir dann doch ins Krankenhaus mussten. Mit dem hab ich schon ein paar Dinger gedreht, aber gerade sitzt er sieben Jahre in Hamburg ab.«

Auf die Frage, ob er etwas bereue, überlegt AK eine ganze Weile. Dann sagt er: »In meinem Leben bereue ich nichts. Aber meine Taten habe ich alle bewusst begangen. Klar, ich fand es scheiße, erwischt zu werden und in den Knast zu müssen. Aber die Tat selbst habe ich nicht bereut.« Dann sagt er: »Ich bereue, dass ich meiner Mutter so viele Kopfschmerzen bereitet habe. Mein Verhältnis zu ihr ist aber sehr gut, wir sehen uns jeden Tag, wohnen nebeneinander. Familiär ist das alles sehr eng.«

AK ist eins von elf Geschwistern, fünf Jungs und sechs Mädchen. Alle fünf Brüder fielen durch Straftaten auf. In regelmäßigen Abständen trat die Polizei die Tür ein, um einen von ihnen zu verhaften. »Mein Bruder war in Wuppertal und kam nach Berlin, dann kam das SEK, und ich hab die Tür aufgemacht. Ich habe dann einen Kick gegen den Solarplexus bekommen, diese schweren Boots an meiner Brust gespürt und bin fünf Meter durch die Wohnung geflogen. Innerhalb von zwei Minuten haben die meinen Bruder ­kaputtgeschlagen und dann mitgenommen.«

AK selbst kam mit 14 das erste Mal für sechs Monate ins Gefängnis. Danach mit 16 für vier Monate. Und mit 18 hat er fast drei Jahre gesessen. »Danach hat sich schon was verändert im Kopf. Man macht sich viele Gedanken im Knast. Entweder: Wenn ich rauskomme, ändere ich mein Leben und baue keine Scheiße mehr. Oder: Ich komm raus und lass mich nie wieder erwischen. Und wenn, dann muss es sich richtig lohnen.« AK hat die Zeit im Knast jedenfalls nicht abgeschreckt. »Das war für mich wie im Jugendzentrum: Ein Großteil meiner Freunde war ja da. Ich kenne auch viele, die sich im Knast wohlfühlen, weil es in Deutschland nicht so schlimm ist. Wenn du einen Inhaftierten aus der Türkei nach Deutschland holen würdest, käme der sich vor wie im 5-Sterne-Hotel.«

Bedienungsanleitung für Deutschland

Nachdem AKs Eltern vor zwei Kriegen flüchten mussten und sein Vater durch die Splitter einer Bombe erblindet ist, kamen sie aus dem Libanon nach Deutschland. Ihre Heimat war ein beschauliches Dorf, umgeben von viel Natur. Die Kinder konnten unbeschwert auf der Straße spielen – bis der Krieg ausbrach. Demzufolge war die Großstadt Berlin ein echter Kulturschock für die Familie. Womöglich wäre das Leben des Rappers ganz anders verlaufen, wären seine Eltern besser integriert worden. »Es hätte alles anders laufen können. Ich war kein dummer Junge in der Schule, aber ich hab keinen Wert drauf gelegt. Ich wollte lieber klauen. Meine Eltern konnten auch kein Deutsch, das war mir unangenehm. Elternabende habe ich denen verschwiegen.« Auch das Leben seiner Mitschüler war ein anderes als seins. »Der Benni neben dir macht seine Brotbox auf und hat da ne Milchschnitte drin, zwei schön belegte Brötchen mit Gürkchen und Salami. Und ich? Ein Brot mit Nutella. Meine Eltern kannten auch keine Marken. Wir bekamen keine Nikes für 100 Euro, nur ein paar Schuhe, die warm waren und ihren Zweck erfüllten. Ich passte da nicht rein, also habe ich schon in der dritten Klasse angefangen, Scheiße zu bauen und zu klauen. In der Cafeteria habe ich die Kasse geplündert, um mir Anziehsachen zu kaufen.« Die Integration von Geflüchteten in Deutschland sieht er kritisch. »Man muss den Menschen viel mehr unter die Arme greifen und ihnen Deutschland erklären. Warum läuft was wie ab? Die stecken die Leute aber bloß in irgendwelche Kurse, lassen sie die Sprache lernen, und das war’s.«

Die deutsche Sprache ist jetzt AKs wichtigstes Werkzeug in Sachen Musik. Obwohl sein letztes Album »Panzaknacka« direkt in den Top Ten landete, ist der Rapper bescheiden. »Ich sehe mich am Anfang und hab noch viel vor. Für die meisten ist Realness voll wichtig, aber für mich ist die normal. Viele sagen, sie haben Angst, im Dunkeln durch die Straßen Weddings zu laufen. Ich bin hier schon als 10-Jähriger nachts um zwei durch die Gegend gelaufen. Aber: Ich halte mich deshalb nicht für etwas Besseres. Ich vertraue nicht auf meine Realness, sondern darauf, was wir musikalisch draufhaben. Das wird uns später hoffentlich auch noch ein paar Türen öffnen.«

»Leute von der Strasse sind von Haus aus loyal«

Auch die 187 Strassenbande war eine große Hilfe. Die Hamburger spannten AK Ausser­kontrolle als Supportact ein und gaben gerne Starthilfe. »Ich brauchte auf jeden Fall Bühnenerfahrung, und dank 187 konnte ich die sammeln. Klar, Lampenfieber gehört dazu, aber ich hab mir bei denen ein paar Methoden abgeschaut. Wie zum Beispiel Jim Beam und Woddi vorm Auftritt – dann läuft das Ganze von alleine.« Auffällig ist, dass sich weder die 187er noch AK übermäßig an Disstracks bedienen. »Reale Leute muss man nicht dissen. Leute, die wirklich von der Straße sind, sind von Haus aus loyal – weil die in Gruppen groß geworden sind. Nur Attrappen, die das bloß von außen betrachtet haben und jetzt auf Gangster machen, denken, es sei cool, sich gegenseitig zu dissen. Ein bisschen Beef muss sein, sonst wäre es langweilig, aber meine Musik ist schon so Gangster, das ist Beef genug – vor allem gegen die Bullen. Ich hab permanent Stress mit denen wegen der Musik – und die lassen mich nicht in Ruhe. Meine Studios werden regelmäßig geschlossen. In das neue habe ich 40.000 Euro investiert, und die haben es einfach dicht gemacht: Verdacht auf Bandenkriminalität, organisiertes Verbrechen und was weiß ich nicht was. Deswegen bau ich mir keine schönen Studios mehr, sondern geh in irgendwelche kleinen Räume in irgendwelchen Gassen und Ecken, wo man es nicht vermutet. Dieses Album habe ich unter so krassen Umständen aufgenommen – während der Zeit mussten wir fünf Studios wechseln! Ich nutze das aber nicht als Promo, obwohl ich jedes Mal ein Foto hätte machen können, wenn die Bullen eingeritten sind. Capital hat mal ein Foto gemacht, als die in ner Pizza nach Drogen gesucht haben, das hat über 65.000 Likes bekommen! Die kamen da mit MPs rein, mit scharfen Waffen, die sie uns in die Fresse gehalten haben. Die wollen anscheinend, dass ich wieder auf die Straße gehe und in irgendwelche Läden krache, anstatt mein Geld ehrlich zu verdienen.«

Apropos dazugehören: Offensichtlich dürfen auf einem guten Gangstarap-Album auch ein paar Tracks nicht fehlen, die sich mit einem gewissen Frauenbild beschäftigen. »In diesen Songs rede ich über Bitches, die es nur auf deine Kohle und deinen Ruhm abgesehen haben. Du machst ein paar Flaschen Champagner auf und zeigst denen 5-Sterne-Luxushotelzimmer, und auf einmal sind sie ganz andere Frauen. Und das ist wichtig zu wissen, denn wenn man jung ist und viel Geld macht, aber trotzdem noch auf der Straße abhängt, dann hat man solche Weiber um sich. Also hab ich denen mal so ein, zwei Songs gewidmet. Eine Frau, die Koks zieht, ist für mich keine normale Frau, mit der ich übertrieben auf romantisch machen muss. Die will ja den harten Typen haben, sonst würde sie nicht mit mir chillen. Sie weiß, worauf sie sich einlässt. Wenn ein Mädchen meine Musik hört und das feiert, was soll ich dann von der denken? Eine Bitch wird einfach anders behandelt als eine Babymama. Wenn mich jemand ernsthaft kennenlernen will, mach ich auch kein Geheimnis aus meinem Leben.«

Sein Leben ist momentan ohne Frage die Musik. AK hat sich etwas aufgebaut, was ihm niemand mehr nehmen kann. Sollte dieser Plan nicht funktionieren, gibt es keinen Plan B, sagt er. »Plan A wird durchgezogen, wir ballern uns mit der AK durch nach oben. Man weiß nie, was passiert. Es kann auch schnell wieder in die andere Richtung gehen.«

Text: Victoria Hiebsch
Foto: Ben Baumgarten

Dieses Feature erschien zu erst in der JUICE #180. Hier versandkostenfrei bestellen.

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