Action Bronson: »Ich hab mir ein paar echte Magier, Zauberer und Computer-Genies besorgt.« // Interview

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Nein, ein Release-Date hat »Mr. Wonderful«, so auch der Titel des lang angekündigten, ersten offiziellen Soloalbums von Action Bronson, immer noch nicht. Aber auch ohne LP in seiner bereits recht umfangreichen Diskografie ist Action Bronson längst eine große Hausnummer im Rap-Betrieb. Sei es durch seine, an den gleichnamigen Film angelehnte und sehr großartige »Easy Rider«-Videosingle oder durch seine kulinarische Web-TV-Show »Fuck, That’s Delicious«. Keine Frage, das Internet hat der 31-jährige Arian Asllani aus Queens, New York, verstanden wie kaum ein anderer Rapper. Und durchweg gute, bisweilen geniale Musik veröffentlicht er nun auch seit bereits vier Jahren. Überdies ist er in einem von allen Seiten beleuchteten HipHop-Betrieb eine der wenigen Figuren, denen immer auch mehr als ein Fünkchen Unnahbarkeit, etwas Ikonisches anhaftet.

 

Das liegt vor allem daran, dass bei Asllanis Rap-Alter-Ego Action Bronson immer wieder die Grenzen zwischen Kunstfigur und Privatmensch verschwimmen. Seine Videos sind meist wahnsinnig unterhaltsam, seine Lyrics provozieren gerne mal Sexismus-Vorwürfe. Ab und zu macht Bronson zudem Schlagzeilen, wenn er mal wieder Fans von seiner Bühne wirft oder entnervt und von boshaften Tweets begleitet eine Europa-Tour absagt. Beim Interview gibt er sich zum Glück handzahm – was auch daran liegen mag, dass er sich, begleitet von seinem alten Kumpel Meyhem Lauren, pausenlos Hasch-Öl aus einem Vaporizer in die Lunge zieht.
 

 
Wie sehr ist Action Bronson noch in die Graffiti-Welt eingebunden?
Nun, darüber sollte ich vermutlich an dieser Stelle nicht allzu viele Worte verlieren. (lacht) Aber meine Freunde von der Smart Crew aus New York werden wahrscheinlich meine ganze Album-Kampagne gestalten: das Artwork, die Street-Promo und so.
 
Wer hat dich schließlich dazu gebracht, mit dem Rappen anzufangen?
Das war er hier. (zeigt auf Meyhem Lauren) Meyehm rappte schon, als ich ihn vor ewigen Zeiten kennenlernte. Es gibt in Queens einen Ort, der heißt 5 Pointz. Das ist ein riesiges Gebäude voller toller Pieces – so was wie eine offene Galerie für Graffiti, in der Leute von überall her machen durften, was sie wollten. In diesem Gebäude trat Meyhem damals auf einer Party auf.
Meyhem: Leider haben sie den Laden mittlerweile dichtgemacht.
 
Wie alt wart ihr, als ihr euch kennenlerntet?
Ich glaube, ich war in der siebten Klasse. Wir waren zwölf Jahre alt.
Meyhem: Ich fing jedenfalls so 2005, 2006 an zu rappen.
 
Und Action? Bei dem hat das noch länger gedauert?
Meyhem: Ein großer Rap-Fan war er schon immer. Aber er begann erst 2009 selbst Texte zu schreiben.
 
Action, dein erstes Release war dann Anfang 2011 »Bon Appetit…Bitch!!!«…
…und wenig später kamen dann die EP »The Program«, das Album »Dr. Lecter« und dann »Well-Done«, »Blue Chips«, »Rare ­Chandeliers«, »Saaab Stories« und »Blue Chips 2«.
 
Du hast nach vier Jahren bereits beinahe ein Dutzend Releases vorzuweisen. War Rap für dich von deinen ersten Schreibversuchen an eine Karriereoption?
Definitiv. Allerdings habe ich daran nicht gedacht, als ich anfing zu rappen, dass ausgerechnet ich damit Geld verdienen würde. Ich machte es zum Spaß, packte meine erste Veröffentlichung online, die Leute mochten es, alles passierte sehr schnell, und ich bekam dadurch genug Selbstvertrauen, schnell immer mehr und vor allem besseres Zeug ­rauszuhauen. Das weckte meine Ambition, daraus eine Karriere zu machen.
 
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In deiner Anfangszeit lernten dich viele dadurch kennen, dass Leute über dich sagten, du würdest klingen wie Ghostface.
Ja, das stimmt wohl. Aber wenn du meine Musik kennst und tatsächlich zuhörst, weißt du, dass dieses Vorurteil nicht der Wahrheit entspricht.
 
Jedenfalls hört man diesen Vorwurf heute kaum noch. Mittlerweile akzeptiert dich ­jeder als eigenständigen Künstler, was auch damit zu tun hat, dass du dich mittlerweile bewusster auf eine bestimmte Art und Weise in der Öffentlichkeit präsentierst.
Ja, und das muss ich auch. Du musst für die Leute als Künstler oder Kunstfigur irgendwie greifbar sein. Und ich weiß zum Glück, wie ein gutes Video auszusehen hat und bin außerdem gut vor der Kamera. Ich habe keine Angst vor ihr.
 

 
Meyhem, war er schon als Jugendlicher gut darin, Leute zu unterhalten?
Meyhem: Ja, und zwar in allem, was er tat: Sport, Graffiti, Kochen.
 
Action, du warst, obwohl du gerade mal 31 bist, bereits erfolgreicher Koch, Graffiti-Künstler und nun Rapper. Bist du jemand, der sich langweilt, wenn er zu lange ­dasselbe macht?
Eigentlich nicht. Allein das Kochen bietet so viele Möglichkeiten, da lernst du nie aus. Ein Meister zu werden, der alles über das Kochen weiß, ist nahezu unmöglich. Und im Prinzip ist es mit allem so. Das Leben ist eine ewige Reise des Wissens: Ausgelernt hat man nie.
 
Du bereist momentan die Welt und drehst zudem mit der VICE die Sendung »Fuck, That’s Delicous«. Schaffst du es in jedem Land, in dem du dich aufhältst, neue ­Speisen auszuprobieren?
Ich versuche es. Auf diesem Trip ist das leider ­etwas schwierig, weil ich wenig Zeit habe. Aber wir drehen momentan für die letzte Folge der Staffel, und dafür wollen wir so viele kulinarisch interessante Orte wie möglich besuchen. ­Morgen fliegen wir nach Kopenhagen, wo zehn der besten Köche der Welt für mich ein BBQ auf einem Boot veranstalten werden.
 
Und VICE bezahlt?
Weiß nicht, ist mir aber auch egal. So lange ich dort aus dem Auto aussteige, gutes Essen bekomme und high sein kann, bin ich glücklich. (er zieht an seinem Vaporizer) Das Ding hier hilft übrigens gegen mein Asthma. (hustet)
 
Es scheint so, als hättest du momentan eine ziemlich gute Zeit.
Auf jeden Fall. Ich genieße es, das Leben ist eine wundervolle Sache. (er schaut aus dem Fenster auf die Spree) Ganz besonders genieße ich es, wenn ich die Möglichkeit habe, von oben herab aus meinem Hotelzimmer aufs Wasser zu blicken. Das macht irgendwas mit mir.
 

 
Ist es leichter oder schwerer, gute Musik zu machen, wenn man ein gutes Leben führt?
Beides. Auf jeden Fall gibt es dadurch, dass ich so viel sehe und erlebe, viel mehr Dinge, über die ich rappen kann. Alles, was ich sage, könnte theoretisch wahr sein.
 
Entstammt denn tatsächlich das meiste von dem, was du sagst, der Realität?
Natürlich. Viele Dinge sind wahr, viele aber auch witzig gemeint und einige erfunden – es ist eine Mischung aus allem. Das, was ich tue, ist ja Kunst und entzieht sich damit jeder Art von Erklärung. Ich bin kein Rapper, der jedes Mal, wenn er sich ein Mikrofon schnappt, davon erzählt, welche Probleme sein Leben mit sich bringt. Solchen Quatsch will doch niemand hören! Eigentlich will doch niemand depressiv sein. Die Leute wollen eine gute Zeit haben, nicht traurig in der Ecke sitzen. Ein guter Song oder ein gutes Graffito – beide bewirken dasselbe. Sie stimmen dich euphorisch, weil du das feierst, was du siehst oder hörst, und öffnen dich damit ein Stück weit für das, was das Leben lebenswert macht.
 
Ist es dir wichtig, jemanden bei dir zu haben, der dich noch aus einer Zeit kennt, als es Action Bronson noch nicht gab?
Ich habe eh nur Freunde von früher. Diesem Typen hier (zeigt auf Meyhem) würde ich alles anvertrauen. Mein Geld, meine Kinder, meine nackte Frau – es könnte passieren, dass er sie fickt, aber selbst das wäre okay. Er ist schließlich mein Bruder. Der würde schon nichts Verrücktes anstellen. (lacht)
 
Also arbeitet ihr sicherlich auch gemeinsam an eurer Musik, oder?
Meyhem: Ja, natürlich. Manchmal an meinen, manchmal an seinen.
Unser Leben und unsere Kunst werden bis an unser Lebensende ­miteinander verbunden bleiben.
 
Schreibt ihr auch auf Reisen?
Natürlich. Ich schreibe immer dann, wenn mich die Inspiration trifft. Wenn man eine Idee hat, dann will man sie natürlich nicht verlieren. Also schreibt man sie sofort auf.
 
Was kannst du zu diesem Zeitpunkt über dein kommendes Album verraten?
Ich hab mir auf jeden Fall ein paar echte Magier, Zauberer und Computer-Genies besorgt, die für »Mr. Wonderful« Musik gemacht haben.
 
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Sind das dieselben Leute, mit denen du auch in der Vergangenheit gearbeitet hast – zum Beispiel Party Supplies oder Alchemist?
Natürlich. Magier, Zauberkraft.
 
Bist du selbst auch ein Magier?
Nein, ich bin der Löwenbändiger.
 
Und wer ist dann der Löwe?
Ich bin der Löwe. Ich bin beides, der Löwe und der Wärter. Es ist schwierig beides zu sein, aber ich bekomm das hin!
 
Meyhem, würdest du sagen, dass er gut darin ist, sich selbst und seine Dämonen zu bändigen?
Meyhem: Klar. Es ist ein alltäglicher Kampf. Er ist nun mal jemand, der im Geiste ein wildes Tier ist, dass am liebsten frei und ­verantwortungslos ­leben würde. Aber er schafft es immer dann, wenn es nötig ist, seinen Fokus zu finden und sich auf das zu konzentrieren, was ihn voranbringt.
 
Action, die Produzenten, mit denen du in den letzten Jahren gearbeitet hast, arbeiten alle in erster Linie Sample-basiert, nutzen allerdings die unterschiedlichsten Genres als Quellen. Bist du jemand, der auch selbst von Soul über Psychedelic Rock sehr viel Musik hört?
Selbstverständlich. Oder denkst du, die ­Produzenten machen alles Musikalische ganz allein und ohne mich? Das ist immer ein ­gemeinsamer Prozess. Der Produzent und ich, wir sitzen immer gemeinsam im Studio und hören sehr viel Musik. Die Musik, die Texte – es ist alles Teamarbeit.
 
Also bist du kein Freund davon, einfach fertige Beats geschickt zu bekommen?
Manchmal läuft das natürlich so, aber meistens ist es eher so, dass ich irgendwo ein Piano-Solo oder vielleicht eine Geige höre und das dann in Beat-Form haben will, um darüber zu rappen. Ich mag es, meine eigenen Loops zu finden.
 
Also bist du selbst großer Musik-Nerd?
Hell yeah.
 
Warst du bereits als Teenager so?
Natürlich, sogar schon als Kind. Ich habe immer viel wundervolle Musik gehört. Schon als Junge, mit meinem Vater, auf einem Berg. (starrt aus dem Fenster)
 
Meyhem, Action, was für Musik habt ihr gehört, als ihr euch kennengelernt habt?
Meyhem hat mir Carlos Santana vorgespielt, da war ich sieben Jahre alt. Seitdem bin ich Fan.
 
Ich dachte, ihr wärt 12 Jahre alt gewesen, als ihr euch kennengelernt habt?
Nein, ich war sieben. (lange Pause)
 
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Und wer war der erste Rapper, den ihr gehört habt?
Ich glaube, das war MC Hammer.
 
Jeder hat, wenn er jung ist und anfängt zu rappen, mindestens ein großes Idol. Zu wem hast du aufgeschaut?
Ich habe Cam’ron geliebt, aber auch DMX, N.O.R.E. und Kool G. Rap – der ist auf jeden Fall mein Lieblingsrapper.
Meyhem: Wu-Tang und MOP haben wir ­damals auch viel gehört.
 
Also seid ihr noch so aufgewachsen, dass man als Junge aus New York nicht allzu viel Westcoast-Musik gehört hat?
Wir haben schon »The Chronic« gehört und auch MC Eiht. Aber natürlich kamen wir aus New York, deswegen waren die MCs aus unserer Stadt und ihr Lifestyle uns natürlich näher. (guckt aus dem Fenster) Man, es ist ein wundervoller Tag.
 

 
Ist das das Beste am Rapper-Dasein, dass du ständig an einem anderen Ort aufwachst?
Es ist gut und schlecht. Manchmal will man natürlich einfach zu Hause sein. Wer will schon in einem Hotel leben? Einem Ort, an dem zig Leute alleine in ihren Betten liegen und sich einen runterholen.
 
Hast du eigentlich bereits Familie?
Ich habe alles mögliche. Ja, ich habe eine ­Familie. Ich bin ja auch schon 31. Wie alt bist du?
 
27.
Hast du Kinder? Ich habe einen Sohn.
 
Bist du ein guter Sohn?
Ich bin der beste Sohn, den man haben kann. ◘
 
Fotos: Maxim Rosenbauer
 
Dieses Interview ist erschienen in JUICE #164 (hier versandkostenfrei nachbestellen).
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