Ace Tee: »Europa ist heute weit genug, um musikalisch ein Vorbild zu sein« // Feature

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Rap ist jetzt ein Thema für die Tagesschau und Schuld hat Ace Tee. Sogar die Nachrichten-Bastion des deutschen Fernsehens rang sich einen Beitrag über die Hamburgerin ab, die mit »Bist du Down« einen weltweit beachteten Hit landete und über die plötzlich jeder was zu sagen hat. Aus dem Nichts, wie viele behaupten, kommt Ace Tee nicht. Vor allem aber kann sie mehr, als nur Retro-Sweater von Fila tragen und angeblich so klingen wie TLC. Denn unter anderem Namen machte Tarin Wilda, so ihr bürgerlicher Name, schon seit einigen Jahren Musik.

»Ich habe mal in Berlin gespielt«, erzählt sie, als wir uns dort zum Gespräch treffen – dabei hat sie riesige Tüten, aus denen Retro-Streetwear-Stücke luken und ihren Freund und musikalischen Partner Kwam.e, der ihre Antworten zur Bestätigung meistens euphorisch abnickt. In einer Bar wäre das gewesen. Völlig absurd. Die kleine Bühne hatte sich gedreht. Modemenschen waren da und feierten. Damals allerdings, da kam aus den Boxen kein gut gelaunter Rap mit R’n’B-Einschlag, sondern die vertonte Dunkelheit. Als G O D E S S Meduzv war Wilda um 2015 unterwegs, baute düstere LoFi-Instrumentale, die an die Ästhetik des Raider Klans um SpaceGhostPurrp und den damals noch involvierten Denzel Curry oder die heruntergepitchten Lean-Hymnen von DJ Smokey erinnerten. Phonk, Memphis-Sound und destruktive Gedanken waren das. Übrig geblieben ist aus dieser Zeit nichts, außer Erinnerungen und ein epileptischer Videoteaser. »Das Video wurde nie veröffentlicht, weil ich mich gefragt habe, ob ich das wirklich bin«, sagt Ace Tee. »HipHop, das bedeutet für mich Unity, Liebe, etwas zu sagen zu haben. Ich wollte keine negativen Gedanken vermitteln, das passiert im Deutschrap sowieso schon zur Genüge.«

 
Nach einem abgebrochenen Pop-Akademie-Studium arbeitete Wilda als Hairstylistin, danach oft bis spät in die Nacht im eigens eingerichteten Home-Studio. Im Stillen allerdings. Außer ein paar verstreute Beats mit Boombap-Einschlag passiert nichts. Jetzt soll alles zusammenkommen, alle visuellen Ideen – mit Musik als Oberbau, sagt sie. Schon vor einem halben Jahr entstand das »Bist du down«-Video, ein Teaser erschien online. Unter einer Hamburger Brücke versammeln sich Männer und Frauen aller Kontinente und scheinen eine gute Zeit zu haben. Im Hintergrund ertönt ein minimalistischer Beat von Plusma, der aus dem verworrenen LoFi-Boombap-Kosmos auf Soundcloud kommt. Dieser seichte Sound verfließt mit den wenig druckvoll, dafür ultra-optimistisch gerappten Parts von Ace Tee und klingt dabei gar nicht so sehr nach TLC oder Lauryn Hill, wie gerne behauptet wird. Die Beststruktur lässt das nicht zu. »Bist du down« ist retro, aber der Beat bleibt zeitgeistig. Nur das Video erinnert stark an die 90er, an MTV und damalige US-Trends. Männer in Stüssy- und Fila-Kleidung skaten, haben Spraydosen in der Hand und alles ist knallbunt. Alle tanzen. Es ist eine enorm positive Bildgewalt, die in Deutschrap-Videos gerade nicht zum Alltag gehören. Wenn etwas in diese Kerbe schlagen will, wird es entweder klamaukig, oder Jungs mit Bierbauch sitzen kiffend an irgendeinem See.

Von Vougue über Spin bis Fader wollte auch deswegen jeder berichten, weil hier ein ziemlich altmodischer HipHop-Begriff (Vier Elemente inklusive) aufgefrischt wird. Außerdem sind aktuelle Fashion-Trends von Wilda, die sich auch um Videoideen kümmert, inszeniert worden – so stilsicher umgesetzt, dass auch kanadische Insta-Influencer das Video teilten. So konnte ein Hype entstehen, der ihr einen ordentlichen Push für das kommende Release »Sip Slow« gegeben hat. »Europa ist heute weit genug, um musikalisch ein Vorbild zu sein«, sagt sie und grinst breit. Mit »Bist du down« hat sie ihren Teil dazu beigetragen. Zumindest ein erneutes 90s-Revival könnte es auslösen.

Dieses Feature erschien in JUICE #179 (hier versandkostenfrei bestellen).

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