A Tribe Called Quest: Kings From Queens // Feature

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Als die Gruppe zum ersten Mal zusammensaß, um die Ausrichtung des bis dato noch unbetitelten sechsten Studioalbums der Band zu besprechen, waren sich alle Beteiligten schnell einig darüber, dass es das Wichtigste ist, die Essenz dessen zu erhalten, was A Tribe Called Quest als Band stets ausgemacht hat. »Gleichzeitig haben wir großen Wert darauf gelegt, nicht bloß ideenlos unser Vermächtnis zu verwalten«, sagt Tip. »Wir alle haben uns im Laufe der Jahre verändert, und die Platte sollte das widerspiegeln.« Bevor sie angefangen haben, selbst Musik zu machen, haben sie erst einmal nur Musik gehört – von Queens ‚Bohemian Rhapsody‘ bis hin zu ‚Money Trees‚ von Kendrick Lamar.

Q-Tip fährt fort: »Das war eine Mischung aus Kram, den wir schon lange mögen, und aktuellen Songs, die auf ihre Art den Zeitgeist widerspiegeln und uns dadurch den Schritt in eine neue Richtung aufgezeigt haben.« Das habe ihnen geholfen, den gemeinsamen musikalischen Nenner zu finden. »Sämtliche Bedenken, das Infragestellen unseres Status innerhalb der Szene – all das Negative haben wir über Bord geworfen. Stattdessen haben wir uns eingeschlossen und einfach gemacht – wie früher. Wir waren plötzlich wieder die Kids von damals.«

Und dazu gehörte auch, sich eine Atmos­phäre freundschaftlicher Competition zu schaffen, die jeden einzelnen von ihnen zu Bestleistungen angestachelt hat. Tip beschreibt eine pulsierende Energie, die sich durch all ihre Sessions gezogen habe. »Einmal waren wir im Studio, als meine Managerin reinkam und Phife und Jarobi bei ihren Parts beobachtet hat. Sie machte ganz große Augen, nahm mich zur Seite und meinte: ‚Keine Ahnung, was du jetzt vorhast, aber ich sag dir: These niggas is out for your head! You better get in your shit!’« Gelächter.

Busta bestätigt, dass dieser Funke des freundschaftlichen Wettstreits auch auf alle anderen Gäste der Platte übergesprungen sei. »Manchmal habe ich Consequence ein paar seiner Lines einrappen gehört und mich dann direkt noch mal hingesetzt, um noch ein bisschen an meinen Sachen zu feilen.« Man höre der Platte auch an, dass alle gemeinsam im Studio waren, findet Busta. »Heute gibt es das ja kaum noch. Alle schicken sich lediglich ihre Pro-Tools-Dateien hin und her, Feature-Parts bekommt man nur noch per Mail. Aber ein gemeinsamer Vibe entsteht nicht, wenn man an verschiedenen Orten vorm Rechner sitzt. Dafür muss man Zeit miteinander verbringen. Nur dann kann man aufeinander reagieren, sich gegenseitig anstacheln und inspirieren. Und genau das ist bei der Arbeit an diesem Album passiert.«

 
Q-Tip, erzählt Busta, sei nach wie vor der Taktgeber für das musikalische Schaffen des Tribe; der Strippenzieher, der alles zusammenhält. »Er hat sehr klare Vorstellungen davon, wie ein Song zu klingen hat. Manchmal habe ich was geschrieben und eingerappt, und dann kam von ihm ein: ‚Nee, mach das mal lieber so und so.‘ Dann nuschelt er mir ein paar Ideen zu, ich setze mich noch mal hin, und dann: ‚Das ist das, was ich von dir hören wollte!‘ So läuft das mit ihm.«

Das Bild, das A Tribe Called Quest mit der Platte zeichnen, ist ein gleichsam emotionales wie politisch aufgeladenes. Entsprechend beginnt sie mit einem Schlachtruf: »It’s time to go left and not right!« Vor dem Hintergrund des Wahlsieges von Trump und dem damit einhergehenden Rechtsruck, der das Land erfasst hat, fällt es schwer, die Platte völlig losgelöst davon zu hören – zu naheliegend die Verweise, zu deutlich das Eintreten der Band gegen das von Trump provozierte »mass unblackening«. Im Track »The Space Program« mündet das Ganze in einer rassistischen Dystopie: »Leave us where we are/So they can play among the stars/We taking off to Mars/Got the space vessels overflowing/What you think they want us there?/All us niggas not going/There ain’t a space program for niggas/Yo, you stuck here.«

Auf »We The People« bläst die Band in ein ähnliches Horn, indem Phife die mediale Berichterstattung und den »fog and the smog of news media« kritisiert, die Trump zum Wahlsieg verholfen hätte, während er selbst sich für Gleichberechtigung stark macht: »Dreaming of a world that’s equal for women with no division/Boy, I tell you that’s vision.« Tips gesungene Hook wirkt hingegen wie eine sardonische Analogie zu den Schlachtrufen, die auf Trumps Wahlkampfkundgebungen zu hören waren: »All you black folks, you must go/All you mexicans, you must go/And all you poor folks, you must go/Muslims and gays, boy, we hate your ways.«

Als Abschiedsgeschenk wartet die Platte am Ende mit dem Stück »The Donald« auf – ein Track, der einerseits als letzter Ellenbogenhieb gegen Trump zu verstehen ist, andererseits aber auch Bezug nimmt auf ein kaum bekanntes Alter Ego von Phife: Donald Juice.

An die erwähnten politischen Kommentare sind immer wieder auch zarte Würdigungen und Erinnerungen an das verstorbene Mitglied Phife geknüpft. Am deutlichsten wird das im dreckigen »Black Spasmodic«, auf dem Tip es sich nicht nehmen lässt, einen bewegen­den Part zu rappen, in dem Phife aus dem Jenseits zu ihm spricht. Tip: »My niggas hearing me talking to me, let me explain/Not through evil mediums, tarot cards and Ouija games/But through mixing cords and boards and even drum machines/he be saying: ‚Nigga, fuck awards, keep reppin’ Queens’«, rappt er, bevor er Phifes Spirit, seine Abschiedsnachricht einfängt: »Im leaving but, nigga, you still got the work to do/I expect the best from you/I’m watching from my heaven’s view/Don’t disappoint me/Make sure that they anoint me/As the blue ribbon pedigree/The best in show, five-foot-three.«

Thank you 4 your service, Phife. ◘

Text: Phillip Mlynar
Übersetzung: Daniel Schieferdecker

Dieses Feature erschien in JUICE #178 (hier versandkostenfrei bestellen).

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